Wie urbane Farmen Millionen Menschen ernähren sollen

Urban Farming soll in den Ballungsräumen die Menschen lokal mit Lebensmitteln versorgen. Wie ökologisch die Farmen tatsächlich sind und zukunftsträchtige urban farms weltweit.

Urban Farm mit vertikalem Anbau von Salat in Aquaponik
In dieser vertikalen urban farm wächst Salat mit Hilfe von Aquaponik. Foto © LouisHiemstra/ iStock / Getty Images Plus

Bereits heute lebt die Hälfte der 7,5 Milliarden Erdenbürger in Städten. Laut Berechnungen der UNO sollen es bis 2050 sogar 70 Prozent sein, bei einer Weltbevölkerungszahl von dann geschätzten 10 Milliarden. Sieben Milliarden Menschen in urbanen Ballungsräumen müssen mit Lebensmitteln versorgt werden, von einer Landwirtschaft, die heute bereits an ihre Grenzen kommt.

Die gängige Lösung seit Jahrzehnten: Ein eingespieltes System aus Turbosaatgut aus dem Labor, dass mit Kunstdüngern und Duzenden von Pestiziden in Monokulturen angebaut wird.

Die Artenvielfalt geht verloren und Ressourcen werden verschwendet, wenn beispielsweise in trockenen Gebieten mit Unmengen Wasser Lebensmittel für den Detailhandel produziert und mit fossile Energieträger Lebensmittel rund um den Globus transportiert werden.

Zahlreiche Fachleute sehen Urban Farming als die Lösung an, um die stetig wachsenden Städte mit Essbarem zu versorgen. Das löst gleich mehrere der angesprochenen Probleme.

Lebensmittelproduktion mitten in der Stadt

Früher produzierten die Bauern auf dem Land das, was die lokale Bevölkerung versorgte – regional und saisonal.

Das ist nun der Anspruch des Konzepts Urban Farming. In Zukunft sollen vertikale Farmen und innovative indoor Farmen eine urbane Landwirtschaft ermöglichen. Ziel ist eine effiziente  und ökologische Produktion von Gemüse, Obst und sogar Fisch.

Was für Urban Farms im grossen Stil spricht

Ein global organisiertes Lebensmittelproduktionssystem bedeutet eine enorme Umweltbelastung. Es sind längst nicht nur Fleischprodukte aus der argentinischen Steppe oder die mit Soja aus Südamerika gefütterten Rinder, die als die alleinigen Klimasünder auf unseren Tellern landen.

Salat wächst in indoor Farm mit künstlichem Licht

In Taiwan arbeiten die indoor Farmer mit neuster Technologie und LED-Beleuchtung. Foto © AzmanJaka/ E+

Auch die ganzjährige Verfügbarkeit von Allerweltsgemüse und -Obst, das kreuz und quer über unseren Planeten geschifft, oder geflogen wird, hat eine schlechte CO2-Bilanz. Hier kann Gemüse und Obst direkt aus Indoor Farming neue Lösungen bieten, da der Transport wegfällt.

Es gibt zudem heute schon die Erkenntnis, dass der Wasserverbrauch beim professionellen Urban oder Vertical Farming vergleichsweise gering ist. Bis zu 95 Prozent kann dieser reduziert werden. Kein Wunder, geschehen sie meist Indoor (im Gewächshaus oder in Gebäuden) und mit ausgeklügelten Bewässerungssystemen.

Urban Farming im kleinen Stil auf dem Dach mitten in der Stadt

Urban Gardening auf dem Dach kann äusserst ertragreich sein, wie hier in Quebec. Foto © manonallard/ iStock / Getty Images Plus

Urbanes Gärtnern im grossen Stil kann diese Reisestrapazen und den Ressourcenverbrau deutlich reduzieren.

Willkürlicher Pestizideinsatz braucht es bei der Technologie dieser Farmen nicht. Bei den innerstädtischen Landwirtschaftsprojekten wird in der Regel auf chemische Mittel (Pestizide wie Kunstdünger) verzichtet.

Zudem sorgt das gross angelegte urbane Gärtnern für örtliches Wirtschaftswachstum, da neue Firmen entstehen und es reduziert die Verpackungsflut. Vom urbanen Garten in das Restaurant oder zum Händler um die Ecke, auch da hat das System Vorteile.

Frische ist ein weiteres Argument für das urbane oder gar das raumeffiziente Vertical Farming. Frisches Gemüse aus der Nachbarschaft könnte womöglich Food Waste reduzieren. Alleine weil das frische Grün länger hält.

Urbane Gärten verbessern das Stadtklima und erhöhen die Artenvielfalt

Urbane Gärten wie dieser in Paris, verbessern das Stadtklima und erhöhen die Biodiversität. Foto © espiegle/ iStock / Getty Images Plus

Urbane Landwirtschaft – seien es auch noch so kleine Gärten oder Agrareinrichtungen, die Nutzpflanzen anbauen und veräussern oder gemeinschaftliches Gärtnern in engagierten Gruppen verbessern auch das Stadtklima. Viele würden profitieren, auch und gerade der städtische Konsument.

Verglichen mit der bodenbasierten Landwirtschaft, können in den Vertical Farms sowie Indoor Farms bis zu 10 Mal mehr Gemüsepflanzen auf gleicher Fläche angebaut werden. Hier wächst alles optimal. Bei zahlreichen Projekten sogar das ganze Jahr.

Einziger wunder Punkt der vertikalen Landwirtschaft wie auch der Indoor-Produktion von Lebensmitteln: Der Energieverbrauch ist vergleichsweise hoch. Sollen vertikale Farmen und die Urbane Landwirtschaft Ressourcen schonen, müssen sie zwingend mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Urban Farms könnten demnach zu einer ökologischen Ernährung der Weltbevölkerung beitragen. Wie solche Projekte aussen, zeigen diese zukunftsweisenden städtischen Farmen.

Die erstaunlichsten Urban-Farming-Projekte der Welt

1 F(r)isch vom Dach: Grösste Dachfarm der Schweiz

Mit 1000 m² Grundfläche betreibt ecco-jäger, ein Schweizer Obst- und Gemüsegrosshändler, in Bad Ragaz (SG) die grösste Dachfarm der Schweiz. Hier wird mittels der nachhaltigen Aquaponik-Methode Fisch- und Pflanzenzucht betrieben.

Salat wächst mithilfe von Aquaponik

Der Salat wächst nicht in der Erde sondern im Wasser. Foto © AzmanL/ iStock / Getty Images Plus

Aquaponik kurz erklärt: Das Wasser der Anlage fliesst in einem geschlossenen System. In grossen Tanks leben Buntbarsche. Deren verunreinigtes (Dünger) Wasser fliesst durch die Anzucht von Salaten und Kräutern, deren Aufzucht erdlos geschieht. Die Pflanzen filtern die Nährstoffe heraus und die Fische erhalten wieder gereinigtes Wasser. Ein optimaler Kreislauf. Abnehmer der frischen Ernte sind Hotels, Restaurants und Caterer.

Ein ähnliches, wenn auch kleineres Projekt haben die Urban Farmers in Basel umgesetzt. Das einmalige Urban Farming-Projekt in Basel. steht allerdings seit 2018 still. Laut den Betreibern, die das System auch entwickelten, würde so ein kleines Urban Farming-Projekt nicht wirtschaftlich arbeiten.

2 Knackfrisches Grün aus Londoner Luftschutzbunker

In London wird Gemüse in einem 30 Meter unter der Erde liegenden Luftschutzbunker angebaut. Heute heisst es 'Nomen est Omen' bei Growing Undergrund, das erste Vertical Farming-Projekt der Welt unter der Erde.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Hier wird in übereinander angeordneten Hochbeeten, eben wie beim Vertical Farming üblich, Etage für Etage und mit einem geschlossenen Wassersystem  ganzjährig bei gleichbleibenden klimatischen Bedingungen Gemüse angebaut. Wenn auch ohne Sonnenlicht. Die Anbauweise spart 70 Prozent Wasser gegenüber dem konventionellen Anbau. Anbau und Ernte sind CO2-neutral.

Im Idealfall landet das frische Gemüse innerhalb von vier Stunden nach der Ernte im Supermarkt  und auf dem Teller der Konsumenten. Frischer geht's nur aus dem eigenen Garten.

Sky Greens: Wie man im Stadtstaat Singapur im grossen Stil Gemüse anbaut

Bereits 2012 startete das Projekt Sky Greens in Singapur, das keine sonderlich grossen Anbauflächen besitzt. Dadurch musste man bis dato jede Menge Lebensmittel per Schiff und Flieger importieren. Die Firma bringt seit Jahren Unmengen von frischem Grün in den Handel und auf die Teller der Menschen in der Millionenmetropole. Und das innovative Unternehmen wächst.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Sky Greens ist die weltweit erste CO2-arme, hydraulisch betriebene, vertikale Farm. Die Hydraulik lässt die turmförmig angeordneten Beete rotieren, sodass jede Pflanze ausreichend Sonnenlicht erhält.

Wurde mit 100 solcher Türme gestartet, befindet sich das Farming-Projekt des Unternehmens gerade im Ausbau auf bis zu 2000 Türme. In naher Zukunft können so zig Millionen Pflanzen jährlich geerntet werden.

Berlin: Urbanes Gärtnern XXL

ECF Farmsystems heisst jene Firma, die unter anderem die Dachfarm in Bad Ragaz gebaut hat. Die Firma ist auf urbane und vertikale Farmen spezialisiert und betreibt sogar eine eigene Dachfarm in der Metropole Berlin. Auf 1800 m² wird auch hier ein Aquaponik-System betrieben, in dem wiederum die Buntbarsche den Basilikumanbau optimieren.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Das Endprodukt wird tagesfrisch geerntet beziehungsweise geschlachtet und wird regional unter anderem an den Einzelhandel, Berliner Restaurants und Caterer ausgeliefert. Umweltschonende, kurze Wege und Kühlketten gibt es auch hier wieder.

Big Apple: Gemüse in der ganzen Stadt

New York ist die Mutter des urbanen Gärtnerns. Brachflächen wurden bereits in den 1970ern zu gemeinschaftlich betriebenen und beackerten Gärten umfunktioniert.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Laut Grow NYC zählt die Metropole über 600 Flächen für urbanes Gärtnern. Jährlich kommen neue dazu. Die Produkte werden in örtlichen Greenmarkets verkauft.

Daneben beherbergt New York mehrere Urban Farms, wie beispielsweise die Battery Urban Farm. Hierim Urban Gardening-Projekt lernen Schüler aus 100 Schulen der Stadt mehr über Biodiversität und den Anbau von über 100 Gemüsesorten. Der Ertrag wird in der Schule verwertet oder an gemeinnützige Einrichtungen gespendet.

Last but not least beeindruckt das Urban Farming-Projekt der Firma Gotham Greens. In insgesamt drei Dachfarmen und auf annähernd 10.000 m² baut Gotham Greens frisches Gemüse an.

Die grösste Vertical Farming-Anlage der Welt

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Paris ist eine der am dichtesten bebauten Städte in Europa. Im Frühjahr 2020 öffnet die grösste Vertical Farm der Welt ihre Pforten. Auf dem Dach des Pariser Kongresszentrums Paris Expo kaum 15 Minuten vom Eifelturm entfernt, sollen auf insgesamt 15'000 m² täglich über 900 Kilo Obst und Gemüse geerntet werden. Zudem sollen auf dem Büro-Haus 140 Kleingärten entstehen.  Das Konzept sieht auch ein Kultur-Angebot, Führungen und Events vor, die das Angebot abrunden.

Die Produkte gehen in das ebenfalls entstehende Gasthaus inmitten der Vertical Farm, an Handel, Gastronomie und direkt an interessierte Konsumenten im ganzen Süden von Paris. Auch bei diesem Projekt wird auf Aquaponik gesetzt und der Wasserverbrauch beträgt wiederum lediglich einen Bruchteil der konventionellen Landwirtschaft.

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