Klimaaktivisten kleben sich vermehrt an Gemälden und auf Strassen fest
28.10.2022 – In den vergangenen Tagen und Wochen häufen sich die Schlagzeilen um die Aktivitäten von Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Sie blockieren Strassen, schütten Tomatensauce über Gemälde und kleben sich daran fest. Die Meinungen zu den Aktionen könnten geteilter nicht sein.
Europaweit häufen sich die Schlagzeilen um Klimaaktivistinnen und -aktivisten der Gruppen «Renovate Switzerland», «Letzte Generation» und «Just Stop Oil». Grund dafür sind die Massnahmen, zu denen sie greifen, um auf die Dringlichkeit einer sofortigen Handlung gegen die Klimakrise aufmerksam zu machen.
Aktivist klebt sich an Vermeer-Gemälde «Das Mädchen mit dem Perlenohrring»
Das neuste Ereignis: Zwei Klimaaktivisten der Bewegung «Just Stop Oil» beschmieren das weltberühmte Gemälde «Das Mädchen mit dem Perlenohrring» von Jan Vermeer im niederländischen Kunstmuseum Mauritshuis mit einer roten Flüssigkeit. Einer der beiden versuchte zudem, seinen Kopf an das Gemälde zu kleben.
«Attacken» auf Kunstwerke werden häufiger
Ähnliche Taten sind dieser bereits vorausgegangen. So klebten sich am 11. September vier Sympatisantinnen und Sympatisanten von «Renovate Switzerland» im Musée Cantonal des Beaux Arts in Lausanne und im Kunsthaus Zürich an Gemälde von Giacometti und Segantini.
Vergangenen Sonntag bekam das Monet-Gemälde «Getreideschober» im Potsdamer Museum Barberini Kartoffelstock ab. Die beiden Verantwortlichen sind Mitglieder der Gruppe «Letzte Generation». Die berühmten Sonnenblumen von Vincent van Gogh wurden von zwei Aktivistinnen von «Just Stop Oil» mit Tomatensauce beworfen und die Wachsfigur von König Charles lll. In Londons Madame Tussauds bekam eine Torte ins Gesicht.
Die Kunstwerke wurden jeweils von einer Glasscheibe geschützt, weshalb bisher kein Bild zu Schaden gekommen ist.
Aktivismus trifft vermehrt auf Unverständnis
Nicht nur an Kunstwerken, auch an Strassen kleben sich vermehrt Aktivistinnen und Aktivisten fest. In der Schweiz blockierten sie dabei bereits den Utoquai und die A3 Ausfahrt beim Sihlhölzli in Zürich, die A6 in Bern, die Mont-Blanc Brücke in Genf und jüngst die Autobahnausfahrt in Crissier bei Lausanne.
Die Aktionen, die in den Medien sehr präsent sind, lösen vor allem eins aus: Starke Emotionen. Bei Auto- und LKW-Fahrenden vor allem negative. Auch Museumsbesuchende sind empört und unter einigen Medienbeiträgen häufen sich wütende Kommentare.
Die «Attacken» auf Kunstwerke sowie das Festkleben am Asphalt trifft bei einigen auf reines Unverständnis. Dadurch verärgere man nur die Menschen, die einfach nur zur Arbeit fahren wollen. Bei Twitter häufen sich unter einem Beitrag der «Letzten Generation» ebenfalls negative Kommentare von «Was kann denn Monet dafür?» bis «Es gibt Menschen, die etwas tun, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Und dann gibt es euch, die ein schlechtes Licht auf Klimaschützer werfen.» Auch die Tatsache, dass bei den Aktionen häufig Lebensmittel zum Einsatz kommen, verärgert einige. Das stehe schliesslich im Widerspruch zu dem, was Klimaaktivismus erreichen wolle.
Es gibt aber auch Stimmen, die die Aktionen nachvollziehen können. So äussert sich Aline Trede, Fraktionspräsidentin bei den Grünen, in der «Arena» verständnisvoll:
«Ich glaube, wir müssen mehr darüber reden, warum es überhaupt notwendig ist, solche Aktionen zu machen.» Weiter betont sie, dass Demonstrationen mit 20'000 Leuten kaum gehört werden, sobald aber eine Strasse blockiert wird, die Aufmerksamkeit bei den Aktivistinnen und Aktivisten ist.
Ziel erreicht?
Und genau das ist es, was die Aktionen allem voran erreichen: Sie lenken die Aufmerksamkeit in den Medien wieder vermehrt auf die Klimakrise – oder zumindest auf die Proteste fürs Klima. Wenngleich die Methoden zur Aufmerksamkeitsgewinnung fragwürdig bleiben und auch Trede hervorhebt, dass ihr Verständnis dort aufhört, wo Sachbeschädigung und Gewalt anfangen. Denn das ist auch der Grund, warum viele fürchten, dass die Klimabewegung dadurch ihre Sympathie verspielt und in Zukunft weniger ernst genommen wird.
Update: Velofahrerin in Berlin nach Unfall hirntot
Am 31. Oktober wurde eine Radfahrerin in Berlin schwer verletzt. Der Unfall erregt grosse Aufmerksamkeit, da der Rettungswagen verspätet eintraf, wofür die Polizei eine Strassenblockade durch Aktivistinnen und Aktivisten der «Letzten Generation» verantwortlich macht. Mittlerweile wurde die Verletzte von den behandelnden Ärzten als hirntot erklärt.
Auf der Website der «Letzten Generation» bestätigt die Gruppe die Demonstration. «Die Letzte Generation kann nicht ausschliessen, dass die Verspätung des Rüstwagens auf einen durch uns verursachten Stau zurückzuführen ist.» Der Rüstwagen war notwendig, um den LKW anzuheben, der die Frau überrollt hatte.
Der Vorfall schürt die Wut gegen die Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Diese beteuern in ihrer Stellungnahme, dass ihnen die Sicherheit aller Teilnehmenden, auch der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer, das «oberste Gebot» seien. Tatsache ist aber, dass in diesem Fall die Sicherheit nicht gegeben war. Das rückt nicht nur die an der entsprechenden Protestaktion Beteiligten in ein schlechtes Licht, sondern die Klimabewegung allgemein. So schreibt eine Journalistin der Zeit in einem Kommentar:
«Spätestens, wenn eine Klebeaktion für Tote sorgt, wird es mit der letzten Sympathie gegenüber den Aktivisten vorbei sein. Schon jetzt schaffen sie durch ihre Aktionen nur unnötige Debatten, statt dass übers Klima geredet wird. Sie selbst lenken von ihrem wichtigsten Thema ab. Es ist paradox.»
Kommentieren / Frage stellen