«Was gesund ist, ist auch nachhaltig»
Ist die vegane Ernährung der Königsweg in Sachen Nachhaltigkeit? Und kann sich die Schweiz überhaupt selbst versorgen? Die Ernährungsexpertin Lisa Halter bringt Licht ins Dunkel und erklärt, weshalb vor allem Masthühner und -schweine ineffizient sind.
Der Umwelt- und Gesundheitsschutz der Stadt Zürich hat eine anschauliche Broschüre mit dem Titel «Nachhaltige Ernährung von A bis Z» verfasst, die einfache Leitsätze für den Alltag formuliert. Für die Bevölkerung steht sie auf der UGZ-Website zum Download zur Verfügung. Lisa Halter, Projektleiterin Ernährung bei der Stadt Zürich und Mitverfasserin der Broschüre, erklärt im Interview, was nachhaltige Ernährung konkret für die Schweiz bedeutet.
Frau Halter, Tierprodukte kommen in der Broschüre schlecht weg. Sie verursachen bedeutend mehr CO2-Emissionen als pflanzliche Produkte. Muss man sich also vegan ernähren, um möglichst nachhaltig zu essen?
Die Stadt Zürich setzt auf eine ausgewogene Ernährung im Sinne der Lebensmittelpyramide der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung. Durch die Umstellung auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung kann die Umweltbelastung um bis zu 30 Prozent reduziert werden. Dabei werden Tierprodukte nicht ausgeschlossen, aber minimiert, beispielsweise von heute neun auf drei Fleischportionen pro Woche. Wir sehen darin eine angemessene Mischung aus Umweltschutz, Gesundheitsschutz und Umsetzbarkeit.
Also ist es besser, Getreide aus Osteuropa zu essen, anstatt ein Steak vom Bauern nebenan?
Man muss hier bedenken, dass die allermeisten landwirtschaftlichen Betriebe in der Schweiz Tierfutter aus dem Ausland importieren. Beim konventionellen Fleisch gibt es da kaum Standards, ganz im Gegenteil zur pflanzlichen Nahrung für Menschen, wo es eine Vielzahl an Nachhaltigkeitslabels gibt.
Ok, nehmen wir an, in der Schweiz gibt es nur noch in steilen Berggebieten Tierhaltung. Das Vieh braucht so tendenziell weniger Importfutter. Würde der durchschnittliche Schweizer Selbstversorgungsgrad dann wirklich steigen?
Heute werden in der Schweiz ca. 60% der Ackerbauflächen für die Produktion von Tiernahrung verwendet. Da besteht viel Spielraum für die Produktion menschlicher Ernährung. Laut einer ZHAW-Studie könnte die Schweizer Bevölkerung sich unter optimalen Bedingungen knapp ausreichend selbst ernähren, jedoch unter starken Veränderungen der Konsumgewohnheiten: Weniger Kalorien, ein fast vollständiger Verzicht auf Fleisch, dafür mehr Brot und Kartoffeln. Der Bestand von Kühen und Rindern würde nur leicht abnehmen, der Fokus läge dort aber bei der Milchproduktion. Geflügel und Schweine würden fast komplett verschwinden, da sie auf Kraftfutter angewiesen sind, was eine ineffiziente Nutzung ist. Bei der Verwertung über das Tier werden aus 3300 kcal durchschnittlich 215 kcal.
Man liest ständig vom klimaschädlichen Methangas der Kühe. Nun schneiden Schweine und Hühner noch schlechter ab?
Man muss sich immer überlegen, auf welchem Land man Nahrungsmittel produzieren will. In der Schweiz gibt es viel Grasland, das nur durch Wiederkäuer zur Lebensmittelproduktion genutzt werden kann. Schweine und Hühner hingegen nehmen durch den Anbau ihrer Futtermittel Platz weg, der für den Ackerbau menschlicher Nahrung genutzt werden könnte, was letztendlich ineffizient ist.
Für die Vision TOP (tiergerechte und ökologische Produktion) haben Forschende Berechnungen für eine möglichst nachhaltige Landwirtschaft gemacht. Auch dafür ist eine starke Reduktion von Mastpoulets und Schweinen vorgesehen. Der Bestand von Legehennen hingegen würde zunehmen – wieso das? Die brauchen ja auch Futter.
Legehennen sind viel effizienter, da sie nicht nur Eier legen, sondern am Ende ihres Lebens als Suppenhühner verwendet werden können. Leider ist diese Praktik heute bis auf wenige Pionier-Gastrobetriebe nicht oder nicht mehr verbreitet.
Weiterführende Infos:
- Willst du mehr Informationen zu den Umweltbelastungspunkten von verschiedenen Lebensmitteln? Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung hat dazu ein anschauliches PDF auf Basis der Lebensmittelpyramide gestaltet.
- Hier findest du zudem einen Leitfaden zu den grössten Hebeln und politischen Pfaden für ein nachhaltiges Ernährungssystem.