Nachhaltiges Bauen: Vom Holzhaus zum Plus-Energie-Haus
Stein auf Stein: Das war einmal. Inzwischen geht es beim Schweizer Hausbau um Energieeffizienz, Umweltschutz, Gesundheit der Bewohner, Komfort und Qualität. Nachhaltiges Bauen sieht Gebäude auch als Stoffkreislauf und Wohlfühlzone.
Nachhaltiges Bauen sollte bei diesen Zahlen schon lange Standard sein: Würden alle so verschwenderisch leben wie die Schweizer, bräuchte die Weltbevölkerung 2,8 Planeten (Global Footprint Network). Der Energiebedarf für Herstellung, Heizung und Betrieb von Gebäuden trägt zur hohen CO2-Belastung massgeblich bei. Der Lebenszyklus eines Gebäudes nutzt knapp die Hälfte der gesamten Energie. Nachhaltiges Bauen wird mit Blick in die Zukunft deshalb immer wichtiger. Doch wofür steht nachhaltiger Hausbau?
Nachhaltiges Bauen nach Schweizer Standard
Nachhaltig bauen bedeutet, die Umwelt, die Wirtschaft und die Bedürfnisse der Gesellschaft zu berücksichtigen - aber auch an die Lebensqualität folgender Generationen zu denken. Das Drei-Dimensionen-Nachhaltigkeitskonzept wurde vor knapp zehn Jahren beim Erdgipfel in Rio de Janeiro entwickelt. «Dank nachhaltigem Bauen ist ein Gebäude ein Kapital und keine Altlast,» so Professor Dr. Holger Wallbaum, stellvertretender Leiter des Instituts für Bau- und Infrastrukturmanagement (ETH Zürich) im Minergie Tagungsband. Somit ist die nachhaltige Bauweise nicht nur eine Frage des geringen Energieverbrauchs. Gebäude sollten auch zur Lebensqualität und zum Wohlbefinden beitragen, da Schweizer einen Großteil ihrer Lebenszeit in Innenräumen verbringen.
Stoffkreislauf Haus: Energie, Umwelt und Ressourcen schonen
Aus wirtschaftlicher Sicht ist hohe Qualität beim nachhaltigen Bauen oberstes Gebot. Dadurch wird der Werterhalt des Gebäudes gesichert. Zudem senken sich die Betriebs- und Unterhaltskosten mit energieeffizienten Massnahmen. Für Professor Wallbauer ist es auch wichtig, den Energie- und Ressourcenverbrauch der verbauten Materialien über den gesamten Lebenszyklus mit einzurechnen. Deshalb steht für ihn fest, dass ein Gebäude mit geringen Energieverbrauch nicht zwangsläufig nachhaltig ist. Denn in der Schweiz werden jährlich 68 Millionen Tonnen Materialien verbaut (EMPA). Um Ressourcenraubbau und Umweltbelastungen zu vermeiden, sollten Architekten und Bauherren von Anfang an energieeffizient planen. Dazu kann die Standortwahl entscheidend beitragen. Wer auf dem Land baut und oft Auto fährt, verbraucht mehr Energie als er mit der nachhaltigen Bauweise einspart. Kompakte, nach Süden ausgerichtete Gebäudeformen wirken sich positiv auf den Heizenergieaufwand aus. Das zeigt, dass erst viele kleine Bausteine ein nachhaltiges Konzept ergeben.
Mit Minergie nachhaltig bauen
Minergie ist ein Qualitätslabel für neue und modernisierte Gebäude, welches für nachhaltiges Bauen sensibilisiert hat. Es ist ein Label der ersten Generation, was sich auf Energieverbrauch, Effizienz und Wohnkomfort fokussiert. Ein Minergie-Haus verbraucht pro beheizten Quadratmeter rund 30 Kilowattstunden Energie. Darin sind bereits die Herstellung und die Beschaffung von Baumaterialien, Systemen und Komponenten eingerechnet. In einem konventionell gebauten Gebäude steckt viel mehr Energie - nämlich zwischen 400 und 1400 Kilowattstunden je Quadratmeter.
Nachhaltiger Hausbau mit Minergie ECO
Noch ökologischer ist die ECO-Variante aller Minergie-Tools. Dabei ist neben Effizienz auch Ressourcenschonung wichtig. So kommt zum Beispiel lokaler Recyclingbeton zum Einsatz. Durch die Wiederverwertung entstehen weniger Bauabfälle und Kiesreserven werden geschont. Für ein besseres Wohlbefinden sorgt auch die optimale Tageslichtplanung. Zudem werden nur schadstofffreie Materialien verbaut. Nachweislich hängen gesundheitliche Probleme oft direkt mit Schadstoffemissionen zusammen. Bei Minergie ECO wird sowohl auf Lösemittel in Anstrich und Kleber als auch auf Formaldehyd bei der Holzverleimung verzichtet. Eine Übersicht über schadstofffreie Materialien gibt es bei ECO Bau. Kontrollen erreichen, dass Vorgaben eingehalten werden und die Umwelt geschützt wird. Durch die System- und Bauteilrennung ist es ausserdem einfacher, das Gebäude flexibel zu erweitern beziehungsweise umzubauen. Würden mehr Gebäude mit dem Minergie ECO zertifiziert werden, könnte die Schweiz den CO2-Ausstoss massgeblich verringern. Weitere Informationen dazu finden Sie unter auf den Seiten von Minergie.
Nachhaltiges Bauen mit nachwachsenden oder recycelten Baustoffen. Foto: tfoxfoto / iStock / Thinkstock
Bereits ein Viertel aller Neubauten sind mit Minergie zertifiziert. Doch auch ohne Label ist nachhaltiges Bauen möglich - wenn nachwachsende oder recycelte Baustoffe verwendet werden.
Recycelte Baustoffe sind gut für nachhaltiges Bauen geeignet. Der Anfahrtsweg zur Baustelle ist meist kurz und verwendete Rohstoffe werden ersetzt. Jedes Jahr fallen beim Rückbau von Gebäuden etwa 13 Millionen Materialien, meist Beton- und Mischabbruch, an. Daraus entsteht eine rezyklierte Gesteinskörnung, auch Recycling-Beton genannt.
Mit Lehm wird seit langem gebaut. Er sorgt für ein gesundes Raumklima, kann die Feuchtigkeit aufsaugen und wieder abgeben. Zudem ist der Baustoff ein guter Wärmespeicher.
Bereits 15 Prozent der Schweizer Einfamilienhäuser sind aus dem nachhaltigen Baustoff Holz gebaut. Es hat gute Eigenschaften, weil es Feuchtigkeit reguliert, wiederverwertbar und schadstoffarm zu entsorgen ist. Der WWF warnt allerdings, dass einige Hölzer vom Raubbau stammen. Transparenz für nachhaltige Holzprodukte gibt das FSC-Label.
Ein Haus braucht einen warmen Mantel. Die Wärmedämmung sollte aus Naturfaser wie Hobelspänen, Flachs, Holzfasern oder Roggen bestehen. Sonst muss die Dämmung als Altlast entsorgt werden.
In den nächsten 50 Jahren müssten knapp 1,5 Millionen Gebäude in der Schweiz energetisch saniert werden. Die Zeit für die Ausweitung nachhaltigen Bauens wäre deshalb jetzt günstig.
Links
- Anbietersuche - Minergie bietet eine Datenbank, um Experten für nachhaltiges Bauen zu finden.
Quellen: Tagungsband Minergie 2011, Faktor kompakt 03, WWF, EMPA, Minergie, ETH Zürich BAFU