Solawi: Landwirtschaftliche Revolution oder Öko-Nische?
Die solidarische Landwirtschaft – kurz: Solawi – ist eine Bewegung, die eine scheinbar nostalgische Art der Lebensmittelproduktion wiederbelebt und mit modernen Werten verbindet. Wie das Konzept funktioniert und wie auch du Teil der Bewegung werden kannst.
Solawi - das Wichtigste in Kürze
- Solawi steht für solidarische Landwirtschaft und ist ein nachhaltiges, soziales Modell der Landwirtschaft, bei dem die Ernte, aber auch die Arbeit und die Risiken geteilt werden.
- Es gibt zahlreiche gute Gründe, warum Solawi sich lohnt. Allerdings hat das System wie jedes andere auch Nachteile.
- So findest du Solawi-Projekte in deiner Nähe.
Menschen tun sich zusammen, um gemeinsam ihre eigenen Lebensmittel zu produzieren – diese simple Idee ist die Vision von Solawi. Keine Massenabfertigung, keine Verschwendung, dafür absolute Transparenz. Geteilt wird nicht nur die Ernte, sondern auch Arbeit und Investitionsgelder. Ein durchdachtes Konzept, das einiges an Potenzial hat.
Die Idee hinter Solawi
Solawi steht für «solidarische Landwirtschaft» und ist ein Ansatz, der auf Zusammenarbeit setzt. Die Mitgliederinnen und Mitglieder einer Solawi-Gemeinschaft helfen selbst auf dem Acker mit und teilen sowohl die Ernte als auch die Risiken eines landwirtschaftlichen Jahres. Gibt es eine gute Ernte, profitieren alle davon und erhalten volle Erntetaschen. Klappt mal eine Saat nicht, geht man gemeinsam leer aus.
Dabei geht es nicht nur um Ökologie und Nachhaltigkeit, sondern auch um ein neues Verständnis von Gemeinschaft und Verantwortung. Denn wer mithilft und sich aktiv beteiligt, ist automatisch näher dran am Geschehen und fiebert mit, welches Gemüse in dieser Saison besonders reich geerntet werden kann. So werden Konsumentinnen und Konsumenten wieder in den gesamten Produktionsprozess mit einbezogen.
Was hältst du von Solawi?
So funktioniert solidarische Landwirtschaft
In der Schweiz sind die meisten Gemüsekooperativen als Genossenschaft oder Verein organisiert. Wer Mitglied ist, zahlt üblicherweise einen festen jährlichen Betrag. Im Gegenzug erhält man wöchentlich oder alle zwei Wochen eine Tasche voller Lebensmittel. Oftmals kann zwischen verschiedenen Taschengrössen gewählt werden – je nachdem, wie viele Mäuler damit versorgt werden sollen. Für gewöhnlich werden die Taschen nicht an die Haustüre gebracht, sondern an zentralen Orten deponiert, wo sie dann abgeholt werden können.
Zusätzlich zum jährlichen Zahlungsbetrag sind die Genossenschafterinnen und Genossenschafter verpflichtet, eine gewisse Anzahl an Arbeitseinsätzen zu leisten. An diesen Tagen (oder Halbtagen) wird gemeinsam Gemüse gesetzt, gejätet und geerntet.
Es gibt noch zahlreiche weitere Betriebsformen von Solawi mit unterschiedlichen Formaten und Handhabungen. Die Kooperationsstelle für solidarische Landwirtschaft stellt sie auf ihrer Website mit dazugehörigen Betriebsportraits sowie einer Auflistung der Vor- und Nachteile vor.
Wie viel kostet Solawi?
Die Kosten einer Solawi-Mitgliedschaft variieren je nach Grösse der Gemeinschaft und den angebauten Produkten. Viele Genossenschaften bauen nur Gemüse und Obst an, andere betreiben auch eine Mastzucht. Nochmals andere wie die Basimilch in Dietikon bieten «nur» Milchprodukte an. Ein Abo mit einer wöchentlichen Lebensmitteltasche kann aber gut und gerne um die 1'000 Franken kosten. Die obligatorischen Arbeitseinsätze, die meist frei wählbar sind, umfassen für gewöhnlich nur wenige Tage im Jahr – zusätzliche Mithilfe ist aber stets willkommen, denn es gibt immer was zu tun.
Zusätzlich zahlst du beim Eintritt in eine Kooperative einen Anteilsschein, der üblicherweise ebenfalls ein paar hundert Franken kostet. Damit kaufst du dich in die Genossenschaft ein und sorgst gemeinsam mit allen anderen für Investitionskapital, das für die Anschaffung von Maschinen und Infrastruktur benötigt wird. Trittst du irgendwann wieder aus, bekommst du das Geld zurück.
Wie viel bekommt der Bauer/die Bäuerin?
Die allermeisten Kooperativen arbeiten mit ausgebildeten Landwirten zusammen – meist die Besitzerinnen oder Besitzer des Ackerlandes. Diese bringen das Know-how, planen das Anbaujahr und die Arbeitseinsätze der Genossenschafterinnen und Genossenschafter. Im Gegenzug bekommen sie einen festen Lohn von der Solawi-Gemeinschaft und haben damit ein sicheres Einkommen. Wie hoch dieser Betrag ist, wird individuell mit der Genossenschaft vereinbart.
Warum Solawi sich lohnt
Die solidarische Landwirtschaft bietet eine Reihe von Vorteilen – für die Beteiligten, aber schlussendlich auch für die ganze Gesellschaft. Denn von nachhaltiger Landwirtschaft haben schlussendlich alle etwas.
Eine Auswahl an Vorteilen für die Beteiligten:
- Die Landwirtinnen und Landwirte haben ein sicheres Einkommen, da allfällige Kosten und Risiken von Ernteausfällen gemeinsam getragen werden.
- Man kann als Gemeinschaft unabhängig wirtschaften und muss keinen vorgegebenen Richtlinien genügen – sei es von Grossverteilern oder irgendwelchen Labels.
- Dank den obligatorischen Arbeitseinsätzen kann besser auf Maschinen und Pestizide verzichtet und nachhaltiger angebaut werden.
- Die Konsumenten sind gleichzeitig Produzenten und wissen, was bei ihnen auf dem Teller liegt.
Deshalb sind Solawi-Genossenschaften meist bio
Viele Solawi-Projekte verpflichten sich zu biologischen Anbaumethoden, da diese ihnen wichtig sind. Es gibt zwar keine generelle Regelung dazu, aber das Konzept von Solawi fördert ökologische Landwirtschaft eindeutig. Erstens bieten die vielen fleissigen Hände der Genossenschafterinnen und Genossenschafter eine gute Voraussetzung für aufwendige Arbeiten wie z.B. Jäten, das Spritzmittel (auch biologische) ersetzen kann. Ausserdem ermöglicht der gesicherte Lohn eine gute Planung, wobei ökologische Massnahmen besser berücksichtigt werden können.
Kritik: Das sind die Nachteile von Solawi
Bei aller Euphorie: Die Idee der solidarische Landwirtschaft gibt es schon länger. Bereits 1978 wurde in der Schweiz mit «Les Jardins de Cocagne» die erste Solawi-Genossenschaft gegründet. Und dennoch ist die Solawi-Bewegung noch immer meilenweit davon entfernt, ihrem Nischendasein zu entwachsen.
Mögliche Gründe:
- Längst nicht alle Menschen haben das Geld, die Mitgliedsbeiträge, sowie den Anteilsschein vorzuschiessen.
- Die Arbeitseinsätze sind zwar oft nur über wenige Tage im Jahr verteilt. Dennoch muss man sich die Zeit dafür nehmen. Es braucht also ein gewisses Interesse und eben – Zeit.
- Nicht alle Landwirte haben Lust darauf, jeden Tag Gartenneulinge in die Kunst des landwirtschaftlichen Gemüseanbaus einzuweisen und sie auch noch auf ihre Äcker loszulassen. Trotz der finanziellen Absicherung ist die Leitung und Aufsicht einer landwirtschaftlichen Kooperative ein völlig anderes Berufsbild, das nicht allen Freude bereitet.
Fazit zur Solawi-Bewegung
Solawi wird vermutlich so schnell nicht alle Probleme der modernen Landwirtschaft lösen können. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung hin zu einer nachhaltigen und solidarischen Lebensmittelproduktion und ausserdem ein tolles Angebot für Konsumentinnen und Konsumenten, die Lust haben, in ihrer Freizeit in die Welt der Landwirtschaft einzutauchen.
So findest du Solawi-Projekte in deiner Nähe
Auf der Karte der internationalen Solawi-Kooperationsstelle für den deutschsprachigen Raum findest du Projekte in deiner Region. Falls du nicht fündig wirst, oder eine Genossenschaft zu viel Verpflichtungen für dich bedeutet, wäre alternativ vielleicht ein gewöhnliches Gemüse-Abo was für dich.
Möchtest du selbst ein Solawi-Projekt starten, weisst aber nicht wie? «Solawi.ch» bietet eine grosse Auswahl an nützlichen und detaillierten Unterlagen, die dir bestimmt weiterhelfen.
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