Jeannette Morath: «Mit unseren Mehrwegboxen sparen wir täglich 6 Tonnen CO2»Hier ein Kaffee to go, dort ein Zmittag auf die Hand – wenn es im Alltag beim Essen schnell gehen muss, fällt viel Abfall an. Das muss nicht sein, dachte sich Jeannette Morath schon vor einigen Jahren und rief 2016 reCIRCLE ins Leben. Wie viel Müll wir dank der violetten Boxen Tag für Tag sparen können und welche Herausforderungen es bei Mehrweggeschirr gibt, verrät sie im Interview. Pauline Bodinek Merken Zmittag to go geht auch ganz ohne Abfall. © zVg reCIRCLE Die violetten Mehrwegboxen von reCIRCLE gehören heute zum Stadtbild dazu. Kein Wunder, schliesslich sind sie praktisch und gut fürs Gewissen. Denn statt nach dem Zmittag zwei Hände voll Müll in den Abfalleimer zu stopfen, kann man die Behälter einfach mit nach Hause nehmen, waschen, wiederverwenden und irgendwann beim Resti nebenan wieder zurückgeben.Wir haben uns beim Forum ö mit reCIRCLE-Gründerin Jeannette Morath getroffen und wollten wissen, was sie auf die Idee gebracht hat und wie viel Abfall die Mehrwegbehälter bereits sparen können.Was war der ausschlaggebende Moment für die Idee von reCIRCLE? Das geht sehr weit zurück. Als ich 20 war, habe ich Beachpartys organisiert und schon damals hat mich der Abfall, der dabei entstanden ist, wahnsinnig gestört. Ich habe also damals schon angefangen, Abfall zu minimieren, Mehrweggeschirr zu brauchen, Zigarettenstummel zu sammeln und so weiter. Dann sind 30 Jahre vergangen und die Stadt Bern hat vorgeschrieben, dass auf öffentlichen Festivals Mehrwegartikel Pflicht sind. Hierfür habe ich dann die Beratungen gemacht und von da war es ein logischer Schritt, das auf Restaurants auszuweiten. Denn das, was täglich in öffentlichen Abfalleimern landet, kostet nicht nur Geld für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Wir werfen dabei auch unglaublich viele Ressourcen in den Müll, und das nach nur einer Benutzung.Wie oft kann man denn einen reCIRCLE-Behälter nutzen? Hunderte Male! Für unsere erste Ökobilanz haben wir mit 100 Nutzungen gerechnet, haben aber schnell gemerkt, dass die Behälter viel länger halten. Wir haben auch Boxen, die bis zu fünfhundert Mal gebraucht wurden. Mein Mann etwa nutzt immer einen unserer Mehrwegbecher und hat kürzlich ausgerechnet, dass er ihn schon 1'000 Mal gebraucht hat. Das hat schon 1'000 Einwegbecher gespart!Und was passiert mit einem Behälter, wenn ich ihn nach einigen Jahren wieder zurückbringe, weil er nicht mehr brauchbar ist? Die Restaurants haben ein Abonnement bei uns, dass sie defekte Boxen und Becher austauschen können. Sprich sie schicken uns defektes Geschirr zurück und wir senden ihnen gratis neues zu. Das ist wichtig, damit sie auch die Motivation haben, uns das alte Geschirr zurückzugeben.Was zu uns zurück kommt, recyceln wir. Aus den Deckeln entstehen Bauteile. Aus dem hochwertigen Material der Boxen stellen wir Granulat her. Davon haben wir jetzt etwa 500 Kilogramm vorrätig und warten noch auf die Bewilligung, daraus neue Boxen herzustellen. Wenn wir die dieses Jahr nicht bekommen, werden wir Tabletts daraus fertigen.Im Gespräch: Jeannette Morath © zVg reCIRCLE Jeannette Morath ist Gründerin und CEO von reCIRCLE. Wegwerfverpackungen waren ihr schon früh ein Dorn im Auge. Mit den hochwertigen, wiederverwendbaren Verpackungen von reCIRCLE brachte sie deshalb eine einfache und zugleich geniale Lösung auf den Markt, um beim Essen jede Menge Plastik, Papier & Co. zu sparen.Wie viel Abfall kann denn durch Nutzen eines Mehrwegbehälters gespart werden? Jedes Mal eine Einwegbox. Also je Mahlzeit etwa 30 Gramm Plastik, 80 Gramm Erdöl und 100 Gramm CO2. Wir tracken unsere Behälter nicht, machen aber Umfragen. Also wir fragen unsere Restaurants, wie viele Boxen täglich gefüllt werden und rausgehen. Das sind pro Restaurant etwa 35, was insgesamt fast 60'000 Nutzungen pro Tag entspricht. Sprich es werden jeden Tag etwa 6 Tonnen CO2 gespart – ganz nebenbei beim Essen.Ihr habt ja ganz neu auch eine reCIRCLE-Pizza-Box. Gibt es denn noch Gerichte, die man nicht aus einem eurer Behälter essen kann? Können tut man alles. Es gibt aber zwei Gerichte, bei denen es etwas schwieriger wird. Das ist einmal Sushi. Da möchten die meisten eine viereckige Box haben, damit die Rollen nicht umfallen. Wobei ich aus eigener Erfahrung sagen kann, dass das auch in einer herkömmlichen reCIRCLE-Box bestens funktioniert. Und das andere sind Dönerboxen, Dürüm & Co., das haben wir auch noch nicht geknackt.Aber das kommt noch. Im Moment ändern sich auch die Gesetzgebungen in Europa dahingehend, dass in Restaurants Mehrwegoptionen angeboten werden müssen. Ich gehe davon aus, dass das auch in die Schweiz rüberschwappen wird. Und je grösser unser Netzwerk ist, umso sichtbarer und einfacher zu nutzen wird es. Dann werden auch die Kebab- und Sushi-Restaurants noch dazukommen.Über reCIRCLEreCIRCLE wurde 2016 gegründet mit der Mission, Mehrweg zur Norm zu machen und damit Wegwerfverpackungen den Kampf anzusagen. Das Schweizer Unternehmen hat eine Kreislauf-Lösung für Verpackungen von Getränken und Speisen entwickelt, die Einwegverpackungen überflüssig macht. Damals haben 24 Partnerbetriebe die Mehrwegbehälter angeboten, heute sind es fast 2'000 Takeaways, Kantinen und Restaurants in der Schweiz und etwa 650 in Europa. Das wachsende Netzwerk macht es immer leichter, auch beim Essen to go keinen Abfall zu produzieren. Auf recircle.ch erfährst du mehr.Mehr aus der Rubrik «5 Fragen an...» Lukas Rösch: «Tofu wird vielerorts nicht für voll genommen» Christoph Mayr: «Ich kann die Skepsis gegenüber kultiviertem Fleisch nachvollziehen» Tino Andri: «Holzdildos haben ein viel geringeres Aufkommen an grauer Energie» Mark Zahran: «Beim Vertical Farming kann man mehr mit weniger anbauen» Marilen Zosso: «In Sachen Food Waste gibt es noch sehr viel zu tun» Stefan Goerre: «Die Lage in hochalpinen Regionen spitzt sich wegen der Hitze zu» Lukas Rösch: «Tofu wird vielerorts nicht für voll genommen» Christoph Mayr: «Ich kann die Skepsis gegenüber kultiviertem Fleisch nachvollziehen» Tino Andri: «Holzdildos haben ein viel geringeres Aufkommen an grauer Energie» Mark Zahran: «Beim Vertical Farming kann man mehr mit weniger anbauen» Marilen Zosso: «In Sachen Food Waste gibt es noch sehr viel zu tun» Stefan Goerre: «Die Lage in hochalpinen Regionen spitzt sich wegen der Hitze zu»