Hühner-Haltung in der Schweiz: Ein Blick hinter die Kulissen

Bis zu 100.000 Hühner in einem dunklen Stall, bis zu 20 oder 25 auf einem Quadratmeter, Turbomast in 40 Tagen mit erheblichen Nebeneffekten und meist nicht ohne Antibiotika. Das ist oft das Schicksal eines Huhns in der europäischen Hühner-Haltung. Warum es in der Schweiz etwas tierfreundlicher gemacht wird und Bio-Poulet die bessere Wahl ist.

Poulet oder Hühner-Haltung in der Schweiz, Deutschland und Europa
Früher ganz normal: Hühner laufen auf einem Bauernhof umher und führen ein artgerechtes Leben. Die heutige Massentierhaltung sieht anders aus und in der Fleischtheke liegen Hühner, die alle vier Tage Antibiotika bekamen. Was macht die Biozucht besser und wie sieht es in der Schweizer Hühner-Haltung aus? Foto: Digital Vision, Thinkstock

Immer wieder gibt es Skandale in Sachen Lebensmittel, die meist von der Profitgier einiger Produzenten, aber auch von der Lust auf Billigprodukte seitens der Verbraucher herrühren. Letztes Beispiel: Der europaweite Pferdefleischskandal.

Auch in Sachen Hühner-Haltung erreichen uns regelmässig unappetitliche Informationen. Denn das Huhn oder Hähnchen, Güggeli, Mistkratzerli, der Gockel oder wie man sonst das Federvieh nennen mag, wird oftmals in Massenzuchtställen gehalten, in denen alles andere als gute Bedingungen herrschen.

Poulet auf dem Teller: Und was ist noch so alles drin?

Gerne wird in Werbespots mit glücklichen Hühnern geworben, die munter gackernd im Dreck scharren, eben ein glückliches Leben führen. Doch in Wirklichkeit sitzen sie oft in dunklen Hallen dicht an dicht, sind aggressiv gegen die Artgenossen und empfänglich für Krankheiten. Ein Grund dafür, dass in der konventionellen Hühner-Haltung ein maximal 40 Tage alt werdendes Masthuhn im schlimmsten Fall alle vier Tage Antibiotika ins Futter bekommt. Meist vorbeugend. Dies ist nahezu weltweit die gängige Praxis, die in der Schweiz allerdings nicht erlaubt ist. Hier darf nur nach tierärztlicher Verordnung und aufgrund einer tatsächlichen Erkrankung Antibiotika gegeben werden.

Laut einer aktuellen Untersuchung des Magazins Ökotest befanden sich in jeder zweiten Probe Hühnerfleisch, die sie im deutschen Handel kauften, gesundheitsgefährdende Keime. Salmonellen, Listerien oder Campylobacter gehören zu den krankmachenden Geschmacklosigkeiten, die in den Poulet-Proben im Handel gefunden wurden. Zudem weisst das Magazin darauf hin, dass es zu einer Dauergabe von Medikamenten gegen Kokzidiose kommt. Kokzidiose ist eine Infektion, die es besonders bei Massenhaltungen gibt, und wenn die Tiere in einem schlecht gepflegten Stall im Kot picken oder die Futterstellen durch Exkremente verunreinigt sind.

Eine etwas ältere Schweizer Studie fand sogar in 71 Prozent von Poulet-Fleischproben aus dem Detailhandel krankmachende Keime. Sind sie resistent gegen Antibiotika - eine Folge der prophylaktischen und häufigen Gabe von Antibiotika - dann entstehen antibiotikaresistente Keime, die, aufgrund des globalisierten Warenstroms, auch in Schweizer Geflügel zu finden sind. In einer aktuellen Untersuchung der Schweizer Konsumentenschutzorganisationen waren, wahrscheinlich mit aus diesen Gründen, in 19 von 40 Proben aus dem Detailhandel antibiotikaresistente Keime zu finden.

Hühner-Haltung in der Schweiz

Nahezu die Hälfte der 1.000 Hühner-Haltungs-Betriebe in der Schweiz sind kleine, familiengeführte Betriebe. Die Zahl der gehaltenen Tiere ist mit 5.000 bis 12.000 Hühnern vergleichsweise gering. 12.000 Poulets in einer Zucht ist die gesetzlich festgelegte Höchstmenge, wobei Ställe über 1.000 Tiere vom Amt bewilligt werden müssen.

Doch der Bedarf bei einem Pro-Kopf-Konsum von durchschnittlich 10 Kilogramm Poulet-Fleisch macht es nötig, dass auf ein heimisches Huhn ein importiertes kommt. Teilweise reist das Geflügel sogar aus China ein, einer der grössten Hühnerfleischproduzenten der Welt. Der Detailhändler Migros jedoch, so Unternehmensangaben, bezieht überdurchschnittlich viel heimisches Hühnerfleisch. So kämen 80 Prozent des angebotenen Frischgeflügels aus heimischer Aufzucht. Der Rest stamme aus Ungarn, Deutschland, Frankreich, Italien und Brasilien. Auch dort mache man sich für strenge Tierschutzbestimmungen stark. Aktuell: Ab sofort ist Trutenfleisch aus Ungarn in den Migros-Märkten erhältlich, dass nach den Schweizer Tierschutzbestimmungen erzeugt wurde.

Bio-Poulet, die bessere Wahl?

Um von Bio Suisse ausgezeichnet zu werden, eines der strengsten Biolabels in Europa, ist eine tierfreundliche Haltung Bedingung, mit regelmässigem Auslauf und Tageslicht in den Ställen. Die Vorgaben für die Bio-Hühnerhaltung reichen bis zum gentechnik- und waldrodungsfreien Futter. Das Futter muss in Bio-Qualität und ohne Medikamenten- oder chemische Zusätze sein. Bei der Hühnerhaltung nach Bio-Richtlinien hat jedes Huhn mindestens vier Quadratmeter Auslauf und es dürfen maximal 6 Hühner pro Quadratmehter gehalten werdne.

Einer der Vorteile der kleinen Herden: Krankheiten werden vermieden. Sollte es doch zu Erkrankungen kommen, dann werden homöopathische Mittel eingesetzt, die heute mehr und mehr auch Antibiotika ablösen, welches nur in Ausnahmefällen und vom Arzt verschrieben gegeben werden darf.

Der Verbraucher honoriert diese Vorgaben und greift heute gerne zu Bio-Poulet. So hat sich beispielsweise bei Coop der Umsatz an Bio-Poulet zwischen 2008 und 2012 verdreifacht.

Tier- und artgerechte Hühnerhaltung? Der Verbraucher entscheidet

Verbraucher, die sich über die Qualität des Fleisches, letztlich auch zur Hühner-Haltung informieren möchten, sollten einfach mal raus aufs Land fahren und sich den Bauer der Wahl suchen, von dem man idealerweise direkt das Fleisch bezieht.

Gerade in der Schweiz gibt es noch vergleichsweise viele kleine Hühner-Haltungen, bei der das Huhn ein natürliches Leben führt.

Ein Bio-Poulet-Züchter erhält etwa 6 Franken für das Tier, 3,20 Franken zahlt er dabei für das hochwertige Futter, nur 50 Rappen bleiben im letztlich für seine eigentliche Arbeit.

Wer auf die Marke Bio Knospe setzt, kann sich sicher sein, dass das Bio-Poulet aus heimischer Produktion stammt, genau wie beim Bauern vor Ort.

Wer auf die Hygiene bei der Zubereitung achtet – nie das gleiche Messer, Gabel oder Schneidbretter für beides, rohes und gekochtes Fleisch verwenden – und das Fleisch auf 70 Grad Kerntemperatur erhitzt, braucht vor Salmonellen und Co. keine Angst zu haben.

In jedem Fall gilt: Billig ist meist auch ungesünder und ein Poulet, ob nun Bio oder nicht, besteht nicht nur aus der zarten Brust. Ein vermehrter Griff zu dieser ist auch ein Grund für die grossen Massenzuchtbetriebe.

Quellen: Coop, Migros, Umweltschutz.ch, Bio-Suisse, Landwirtschaft.ch, Spiegel, Focus, Ktipp.ch, Text: Jürgen Rösemeier-Buhmann

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