Auszugsmehl – Warum unser Brot ungesund geworden ist
Heutzutage meiden viele Menschen Brot, weil sie glauben, Kohlenhydrate würden dick machen. Warum das Unsinn ist, und weshalb Mehl viel gesünder sein könnte als unser Auszugsmehl, erklärt Ernährungs- und Gesundheitsberater Felix Lösch in seinem Gastbeitrag.
In meiner ganzheitlichen Ernährungsberatung stelle ich immer wieder fest, wie viele Missverständnisse und Unklarheiten es beim Thema Brot gibt. Die einen meinen, Brot sei nicht gut für sie aufgrund des hohen Kohlenhydratanteils, die anderen erklären den Weizen zum (Haupt)Problem. Wieder andere machen das Gluten für die Unverträglichkeit des Brotes verantwortlich. Auch wenn all diese Einwände eine gewisse Berechtigung haben, gehen sie doch am wichtigsten Problem vorbei. Damit unser Körper gesund bleibt, für den Geschmack und auch für die Verträglichkeit des Brotes ist das verwendete Mehl entscheidend.
Volles Korn oder ungesundes Brot
Unser Brot wird heute zu fast 98 Prozent aus minderwertigen Auszugsmehlen hergestellt, die uns tatsächlich auf Dauer krank machen können oder zumindest nichts zu einer gesunden Ernährung beitragen. Wird aber Vollkornmehl aus keimfähigem, frisch vermahlenem Getreide verwendet, macht uns ein solches Brot weder dick noch krank, sondern kann ein schmackhafter, bekömmlicher und vor allem gesunder Teil unserer Ernährung sein.
Dazu muss man wissen, dass jedes Lebensmittel aus drei Grundnährstoffen aufgebaut ist: Eiweisse, Kohlenhydrate und Fette. Um diese drei Grundnährstoffe gruppieren sich im naturbelassenen Lebensmittel die sogenannten Vitalstoffe: fett- und wasserlösliche Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Fermente (Enzyme), ungesättigte Fettsäuren, Aromastoffe und Faserstoffe (Ballaststoffe).
Stark vereinfacht können wir uns diese Vitalstoffe wie das Handwerkszeug vorstellen, welches unser Körper benötigt, um die drei Grundnährstoffe rückstandslos verarbeiten zu können. Fehlen diese Vitalstoffe, werden wir langfristig krank, wie die Forschungen von Cleave und Campbell nachweisen.
Zurück zum Mehl. Ein Getreidekorn ist aufgebaut aus den Randschichten, dem Keim und dem stärkehaltigen Mehlkörper. Der Mehlkörper besteht zu ca. 70 Prozent aus Kohlenhydraten und enthält keine Vitalstoffe. Diese befinden sich im ölhaltigen Keim und in den Randschichten.
Wie einst ein Müller das Mehl haltbar machte
Nun machte vor knapp 170 Jahren ein Müller eine revolutionäre Entdeckung. Er bemerkte, dass, wenn man den ölhaltigen Keim und die Randschichten des Getreidekorns vom stärkehaltigen Mehlkörper mechanisch entfernt, das Mehl nicht nach ca. sechs Wochen ranzig wurde, wie dies bei echtem Vollkornmehl der Fall ist. Damit war das haltbare Auszugsmehl geschaffen. Auszugsmehl deshalb, weil das Mehl, egal ob Dinkelmehl, Weizenmehl oder Roggenmehl, ein Auszug aus dem vollen Korn ist.
Dies war im Zeitalter der Industrialisierung ein wichtiger technischer Fortschritt. Nun konnten grosse Mengen Mehl transportiert und auf Vorrat gelagert werden, und die Versorgung der Bevölkerung der wachsenden Städte war sichergestellt. Erst einige Jahrzehnte später wurde nachgewiesen, dass der Konsum von Backwaren aus Auszugsmehl durch den erzeugten chronischen Vitalstoffmangel krank machen kann.
Die Verarbeitung und Vermarktung von Produkten aus haltbaren Auszugsmehlen ist für die Industrie wesentlich profitabler. Die Folgen trägt der Konsument. Denn den allermeisten von uns sind diese Zusammenhänge unbekannt und unsere Gesundheit kann langfristig Schaden nehmen.
Das gesündeste Mehl ist frisch gemahlen
Dinkel, Weizen oder Roggen, es spielt keine Rolle, welche Getreideart verwendet wird. Auszugsmehl aus vermeintlich gesundem Korn erweckt beim Verbraucher einen gesunden und ursprünglichen Eindruck, ist aber in Wirklichkeit das Gegenteil. Der Vitalstoffgehalt dieser Mehle ist sehr gering.
In meinen Beratungen und Kursen werde ich oft gefragt, warum ich empfehle, das Mehl aus dem ganzen Korn frisch zu mahlen. Warum können wir nicht gemahlenes Vollkornmehl aus dem Bio-Laden oder Reformhaus verwenden?
Beim Vollkornmehl werden zwar alle Bestandteile des Getreidekorns vermahlen, aber das durch den Mahlprozess aufgespaltete Getreide ist dem Luftsauerstoff ausgesetzt. Eine Oxidation beginnt und viele der Vitalstoffe verlieren ihre Wirksamkeit. Das heisst, auch Brote aus solchem Mehl halten uns langfristig nicht gesund, wie eine Studie von Bernàsek & Kühnau zeigt.
Vollkorn ist immerhin die halbe Miete
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Durch das Backen ist ein Verlust der teils hitzeempfindlichen Vitalstoffe nicht zu umgehen. Dennoch ist es ein grundsätzlicher Unterschied, ob wir Kohlenhydrate in Form von Brot aus Auszugsmehlen oder Kohlenhydrate in Form von Vollkornbrot essen. Denn trotz Backen bleiben im Vollkornbrot zahlreiche Vitalstoffe erhalten. Ausserdem sorgen die Ballaststoffe dafür, dass die Stärke viel langsamer zu Glukose, also Zucker, abgebaut wird als bei Auszugsmehlen. Der Blutzuckerspiegel steigt und fällt langsamer, was bedeutet, dass wir uns länger satt fühlen.
Tipp: Essen Sie einen Teil des konsumierten Getreides in roher Form, zum Beispiel als feines Birchermüesli. Es enthält wertvolle Ballast- und Mineralstoffe.
Fazit: Kohlenhydrate, Weizen oder Gluten sind also nicht die Hauptursachen für Gesundheitsschäden, sondern Brot und Backwaren aus Auszugsmehlen. Ein Vollkornbrot dagegen hält unseren Körper langfristig fit und gesund und ist auch unvergleichbar besser im Geschmack.
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Zur Person
Felix Lösch ist ärztlich geprüfter Gesundheitsberater. In seiner Praxis in Winterthur bietet er nicht nur Gesundheits- und Ernährungsberatungen an, sondern führt regelmässig Koch- und Backkurse durch.
Auf seinem Blog Quicklebendig finden interessierte Leser Tipps und Rezepte rund um die gesunde Ernährung.