Es geht auch Bio: Leder gerben ohne Mensch und Umwelt zu schaden
Leder wird heute in Unmengen benötigt. Für Schuhe, Oberbekleidung, Handtaschen, Portemonnaies oder in der Autoindustrie. War Leder gerben früher eine natürliche Angelegenheit, so wird heute fast ausschliesslich hochgiftiges Chrom verwendet. Nicht so bei Bioleder, das besonders schadstoffarm ist.
2008 wurden weltweit 24 Millionen Tonnen Chromit gefördert, die häufigste Form in der Chrom natürlich vorkommt. Genutzt wird es als Ausgangsmaterial für die Metallproduktion, die Herstellung von Farben und eben auch zur Herstellung von Leder. In einem komplexen Prozess und unter dem Einsatz von Schwefelsäure wird Chromsulfat gewonnen.
Unterliegen die wenigen europäischen Gerbereien beim Umgang mit den Chemikalien noch sehr hohen Auflagen, sieht das bei den meisten Produktionsstätten ausserhalb Europas schon anders aus. Die Menschen hantieren ungeschützt mit dem krebserregenden Chrom herum und oftmals gelangt es in die Natur, das sie völlig verseucht. Und ein Teil bleibt davon auch zurück in vielen Produkten.
Leder mit Chrom gerben gefährdet auch Konsumenten
Das deutsche Bundesamt für Risikobewertung führte Tests durch, die belegen, dass in jeder zweiten Probe Schuhe, Lederbekleidung und Handschuhe sogar mehr Chrom enthalten ist, als es die Grenzwerte erlauben. Und das ist schädlich, auch für die Trägerin und den Träger von Lederbekleidung.
Laut des Informationsverbundes Dermatologischer Kliniken in Deutschland ist Chrom für ein Fünftel der Kontaktallergien verantwortlich. Die Wissenschaftler des amerikanischen Blacksmith Institute bezeichnen Chrom sogar als die drittgrösste toxische Gefahr für Mensch und Umwelt weltweit. Annähernd 20 Millionen Menschen würden in der chromgewinnenden und -verarbeitenden Industrie durch die Chemikalie gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt.
Bioleder: Natürliches Gerben ganz ohne Schadstoffe
Tara, Valonea oder Rhabarber heissen die natürlichen Gerbstoffe, die Unternehmen wie der nachhaltige deutsche Lederproduzent Ecopell, heute zur Herstellung von Bioleder oder Ökoleder verwenden. «Uns ist es besonders wichtig, dass wir nachwachsende Rohstoffe zur Gerbung von pflanzlich gegerbtem, naturbelassenem Leder verwenden», sagt Johann-Peter Schomisch, Gründer von Ecopell. Das Unternehmen produziert bereits seit 1992 für die Möbel- und Automobilindustrie, sowie für die Bekleidungsbranche. Auch beim Färben des Bioleders wird hier auf Nachhaltigkeit geachtet. So kommt ein Walnussextrakt zum Einsatz, wo andere häufig schwermetallhaltige Farbstoffe nutzen.
Weitere Möglichkeiten, Leder biologisch zu gerben, bieten die Fruchtstände von Eichen, die Valonea genannt werden, oder die Hülsen des in Andentälern wildwachsenden Strauchs Tara. Zudem kann aus Abfällen der Olivenölhersteller, selbst aus einfachen Olivenblättern, ein Gerbstoff für Leder hergestellt werden. Aber auch mit Rhabarberwurzel-Extrakt kann man Leder gerben. Hier ist deepmellow einer der wenigen Ledermodehersteller, der für seine Kreationen vom stylischen Minikleid bis zur top-modischen Handtasche nur mit Rhabarber gegerbtes Ökoleder verwendet.
Leder natürlich gerben kaum teurer
Preislich macht das Ganze kaum einen Unterschied, wie Johann-Peter Schomisch von Ecopell verrät. So ist das Naturleder allenfalls zwischen 10 und 20 Prozent teurer als chromgegerbtes Leder. Würden sich mehr Lederproduktehersteller für die in allen Belangen nachhaltige Alternative entscheiden, wäre auch dieser Preisunterschied wohl schnell vom Tisch.
In der Modebranche ist der Anteil an natürlich gegerbtem Leder bisher dennoch sehr gering. Die Industrie nutzt Bioleder schon deutlich häufiger. Hier liegt der Anteil bei etwa 20 Prozent. Der grösste Teil davon wird in der Automobilindustrie verarbeitet.
Neue Erfindung: Das Bioleder, das gar nicht aus Leder ist
Professor Richard Wool von der amerikanischen University of Delaware hat vor kurzem einen Preis für umweltfreundliche Chemie erhalten. Er entwickelte ein dem Naturleder täuschend ähnliches Material. Nur das dieses Bioleder nicht aus Tierhäuten, sondern aus Hühnerfedern, Flachs und Sojaöl besteht.
Hierbei kann auf unzählige und hochgiftige Chemikalien wie das Chrom des konventionellen Ledergerbens verzichtet werden. Es wäre in seinen Eigenschaften dem Bioleder sehr ähnlich, aber mehr noch: Diese Erfindung ist zudem atmungsaktiv und der Ausgangsstoff könne sogar als Biokleber, Bioschaum, etwa für Dämmungen, und andere Materialien nachhaltigen Ersatz bieten. Einen ersten Sportschuh aus diem «Bioleder» hat der Chemiker bereits gefertigt.
Quellen: Ecopell.de, Fastcoexist.com, United States Evironmental Protection Acency/EPA, IVDK, www.worstpolluted.org, deepmellow.com, wet-green.com
Text: Jürgen Rösemeier-Buhmann