Urban Gardening: Was ist dran an der Lust zum Gärtnern in der Stadt?
In der Schweiz wird mehr und mehr gegärtnert, selbst ohne eigenen Garten und noch dazu inmitten der Stadt. Viele Urban Gardening-Projekte spriessen schweizweit aus dem Boden und finden immer mehr Anhänger. Selbst der eigene Balkon wird zur grünen Oase und bereichert mit frischem Obst und Gemüse unsere Küche.
Der Trend zum Urban Gardening entstand in den 70er Jahren mit den New Yorker «community gardens», den Gemeinschaftsgärten in denen jeder Städter der mochte, mit anpackte. Doch eigentlich ist der Trend des Urban Gardening schon viel älter, denn schon früher wurde fleissig in der Stadt gegärtnert, auf zugewiesenen Flächen in den Schrebergartensiedlungen. Diese ebenfalls wieder im Trend liegende Form des Gärtnerns hat viel mit dem Urban Gardening gemeinsam: Die Lust am Arbeiten in und mit der Natur, den Spass daran, die eigene Ernte wachsen zu sehen und die bis zum gewissen Grad eigene Versorgung mit garantiert regionalen Produkten.
Urban Gardening verschönert, macht Spass und ist umweltfreundlich
Gleich, ob in Zürich, Basel oder Bern, London, Berlin oder Chicago – überall in der Welt entstehen Urban Gardening, Urban Farming oder Urban Agriculture-Projekte, die gleich mehrere Ziele haben: Auf ungenutzten Flächen frisches Grün anbauen und eine umweltfreundliche, weil verbrauchernahe Versorgung mit Lebensmitteln ermöglichen. So entstehen mehr und mehr Urban Gardening-Projekte auf leeren Parkplätzen, in Industriegebieten oder auf anderen Freiflächen, die interessierte Menschen zumindest mit einem Teil ihrer Lebensmittel versorgen.
Letztlich kommt auch die Gesundheit nicht zu kurz, denn beim urbanen Gartenbau wird in aller Regel auf Pestizide oder Herbizide verzichtet, ganz abgesehen von der unschlagbaren Frische der Produkte.
Urbaner Gartenbau für mehr Biodiversität
Einige Projekte in Grossstädten belegen, dass der urbane Gartenbau für mehr Biodiversität sorgt und Bienen beispielsweise sehr gerne das neue Grün mit all seinen blühenden Obst- und Gemüsesorten besuchen. Andere Initiativen wie die ProSpecieRara und ihre Aktion «Stadt-Tomaten» sorgen für den Erhalt traditioneller Pflanzen und kämpfen gegen das Einheitssaatgut grosser Konzerne, ebenfalls ein gutes Beispiel für den nachhaltigen Nutzen des urbanen Gartenbaus.
Urban Gardening mehr als nur ein Trend?
Beim Urban Gardening werden Kisten, Säcke oder Eimer bepflanzt, werden Pflänzchen gehegt und gepflegt bis man stolz die Früchte seiner Arbeit ernten kann. Was vielleicht manchmal ein wenig belächelt wird, macht in Zeiten von weitgereistem Obst und Gemüse oder von stetig wiederkehrenden Lebensmittelskandalen durchaus Sinn. Zumal in den Urban Gardening-Projekten sehr viel Potenzial steckt. Denn je mehr ungenutzte Flächen für den urbanen Gartenbau genutzt werden, desto mehr Lebensmittel können auf städtischem Gebiet verbrauchernah produziert werden.
Dass diese neue Pflanzkultur Zukunft hat – auch im unternehmerischen Bereich -, zeigen heute schon viele Projekte. So versorgt Frau Gerolds Garten in Zürich das eigene Restaurant oder ein Londoner Projekt baut Obst und Gemüse auf einem Supermarktdach an, der diese Produkte täglich frisch verkauft. Eine US-amerikanische Firma baut derzeit sogar auf Supermarktdächern Gewächshäuser, in denen das ganze Jahr über das Gemüse für die darunterliegende Gemüsetheke produziert wird. In der deutschen Stadt Andernach wurde sogar der öffentliche Raum nahezu komplett mit Obst und Gemüse bepflanzt und die Stadtbewohner sind ausdrücklich aufgefordert, ihren eigenen Bedarf dort zu ernten.
Urban Gardening im Kleinen: Anbau am Balkon
Auch der Balkon kann zum Urban Gardening genutzt werden, denn Vieles wie hier eine Zucchini wächst auch auf dem Balkon. Foto: © Karin Kook, Netzwerk Balkongarten
Urban Gardening kann jeder. Zumindest all jene mit einem mehr oder weniger grossen Balkon. Und dies mit teils hohem Ertrag. So liefert nur eine Erdbeerpflanze gerne 500 Gramm frische Früchte, eine Tomate locker fünf Kilogramm saftig-süsse Tomaten oder eine Zucchini gleich einen ganzen Korb voll nahrhaftem Gemüse. Und selbst wer keinen grünen Daumen hat, könnte mit dem urbanen Gartenbau schon nächstes Frühjahr loslegen. Denn Initiativen wie das Netzwerk Balkongarten bieten Workshops, Tipps und Tricks für das Urban Gardening selbst auf kleinstem Raum. Was Sie alles am Balkon anbauen können, lesen Sie hier.
Die Expertentipss vom Netzwerk Balkongarten für das Gärtnern auf dem Balkon
Die grösstmöglichen Gefässe wählen. Der limitierende Faktor auf dem Balkon ist der Boden. Eine Pflanze kann aber nur so schön, kräftig und gesund wachsen, wie ihr "Untergrund" es ermöglicht. Nur mit ausreichend Nährstoffen, Feuchtigkeit und Platz kann sich ein gesundes Wurzelwerk bilden, die Grundlage für einen guten Ertrag (z.B. bei den beliebten Tomaten).
Mit-Balkongärtner in der Nachbarschaft suchen. Der nächste Urlaub kommt bestimmt. Die Kombination, während der Abwesenheit nicht nur für die Bewässerung zu sorgen, sondern auch ernten zu dürfen, ist reizvoll und klappt bei räumlicher Nähe und auf gegenseitiger Basis am besten.
Experimentieren und gut beobachten. Balkons sind sehr unterschiedliche Biotope. Die Ausrichtung zur Sonne, das Stockwerk und nicht zuletzt die eigenen Vorlieben und Fähigkeiten machen den Gärtner selbst zu einem wichtigen Biofaktor. Durch Beobachten lernt man von Jahr zu Jahr. Die Interessen entwickeln sich. Neben besseren Erträgen betreibt der eine nach kurzer Zeit seinen eigenen Kompost, der andere gewinnt gar das eigene Saatgut für die kommende Saison.
Quellen: Nutzdach.ch, Delinat, urbanagriculturebasel.ch, Frau Gerolds Garten, www.carolinenilson.com, Stadt Tomaten, Food from the Sky, Wesentlich GmbH, Netzwerk Balkongarten