Neue EU-Taxonomie: Atomstrom und Gas sollen künftig als nachhaltig gelten

05.01.2022 – Ein Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Atomkraft und Gas unter gewissen Umständen bald als nachhaltig eingestuft werden. Was bedeutet das für die Energiewende in Europa?

Nachhaltigleben
Wird Atomstrom jetzt grün? Foto © RelaxFoto.de / E+

Der Vorschlag der EU-Kommission zum Jahreswechsel betrifft die EU-Taxonomie. Diese definiert, welche Investitionen in Europa als nachhaltig betitelt werden dürfen. Der jüngste Vorschlag beinhaltet, dass auch Gas und Atomenergie in Zukunft als «grün» gelten sollen.

Was hätte das zur Folge?

Das würde bedeuten, dass diese Energiesparte als nachhaltige Energieerzeugung subventioniert werden dürfte. Dafür setzten sich unter anderem Belgien und Frankreich ein. Beides sind Länder, in denen viel Atomenergie erzeugt wird. Aber auch Polen, wo der Einstieg in die Kernkraft geplant wird, käme die neue EU-Taxonomie entgegen.

Welche Gründe hinter der neuen Taxonomie stecken

Dass Länder, die viel Energie über Kernkraftwerke erzeugen, hinter der neuen Taxonomie stehen, hat vor allem einen Grund: Es würde diesen Staaten ermöglichen, ihre Klimaziele zu erreichen. Dass Atomkraft als nachhaltig gelten soll, wird damit begründet, dass während des Betriebs kein CO2 ausgestossen wird. Zudem produzieren sie verlässlicher Strom als Solarzellen und Windkraftwerke.

Durch die neue Taxonomie würden Atomstrom und Erdgas mit Wind- und Sonnenenergie gleichgesetzt. Das stösst nicht nur Aktivist*innen bitter auf, sondern auch einigen Politiker*innen, besonders in Deutschland. Denn Atomkraftwerke bergen nach wie vor hohe Risiken, weshalb Deutschland bis Ende 2022 alle Werke abschalten wird. Wegen des Ausstiegs aus der Atomenergie begrüsst Deutschland andererseits das gründe Label für Gasenergie, da es in der Übergangszeit darauf angewiesen sein wird.

Das Label «nachhaltig» ist an Bedingungen geknüpft

Damit zusätzliches Geld in Gas- und Kernkrafttechnologien fliesst, müssen diese jedoch bestimmte Bedingungen erfüllen. Der Bau eines neuen Kernkraftwerkes setzt etwa voraus, dass aufgezeigt werden kann, wie das jeweilige Werk bis 2050 das Problem mit der Lagerung des hochradioaktiven Mülls regelt. Gasprojekte sind generell nur bis 2030 möglich.

Die neue EU-Taxonomie beinhaltet aber auch, dass alles, was künftig als nachhaltig bezeichnet wird, auch nachhaltig sein muss. Eine erhöhte Transparenz soll also dafür sorgen, dass etwa bei Fonds, die Papiere von Atomkraftwerken enthalten, dies auch draufsteht. Die Hoffnung bleibt also, dass die Transparenz den (Wieder-) Aufschwung von Gas- und Atomenergie zumindest hemmt.

Wie geht es jetzt weiter?

Beschlossen ist die neue Taxonomie noch nicht. Die EU-Staaten können Widerspruch einlegen. Aktuell sieht es jedoch nicht danach aus, als würde die Mehrheit dies tun. Welche Veränderungen das Gesetz nach sie ziehen würde, bleibt abzuwarten. Dadurch würde erstmal «nur» die finanzielle Förderung von Gas- und Atomenergie ermöglicht. Ob anschliessend tatsächlich vermehrt neue Werke ans Netz gehen, ist unklar. Denn trotz Subventionen ist der Bau neuer Atomkraftwerke riskant und kosten- sowie zeitaufwendig. Der Ausbau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen geht zudem in Dänemark, Spanien, Italien und Deutschland voran.

… und in der Schweiz?

In der Schweiz begrüsst die SVP die neue Taxonomie der EU. SVP-Nationalrat Christian Imark betont, dass Atomkraft die effizienteste und damit auch die klimafreundlichste Lösung sei. Seine Hoffnung ist, dass die neue EU-Taxonomie auch in der Schweiz den Widerstand gegen Atomkraft reduzieren werde. Auch FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen findet, dass eine Verlängerung der Laufzeit Schweizer Kraftwerke ein Muss sei. Um eine Energieknappheit in Zukunft zu verhindern, müsse auch das Neubauverbot für Atomkraftwerke in der Schweiz laut Wasserfallen aufgehoben werden.

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