Leere Meere: Überfischung statt nachhaltiger Fischfang

Der Hunger auf Fisch wächst, obwohl die Meere bereits überfischt sind. Raubbau und Fischpiraterie verstärken die Probleme unter Wasser. Neben der Überfischung steht auch die Aquakultur in der Kritik. Hier finden Sie einen Überblick.

Überfischung entsteht durch den Fischfang mit Netzen.
Mit solchen Fischerbooten versucht man, der stetigen Fischnachfrage nachzukommen. Foto: Rob Bouwman, iStock, Thinkstock

Fisch ist gesund - doch der ungebremste Fischfang macht die Meere krank. Ein Drittel der weltweiten Gewässer sind bereits überfischt. Die Nachfrage erreicht Rekordwerte - so auch hierzulande. Heute verzehrt ein Schweizer etwa ein Viertel mehr Speisefisch und Meeresfrüchte als noch vor drei Jahren. Somit finden sich jährlich rund 9,1 Kilogramm auf Schweizer Tellern wieder. Doch welche Probleme bringt der enorme Fischhunger mit sich?

Überfischung: Immer mehr Meerestiere landen in den Netzen

Die Meere leeren sich unaufhaltsam. Der aktuelle Weltfischereibericht schreibt neue Rekordwerte, denn 145 Millionen Tonnen Fisch wurden 2009 gefangen. Davon endeten 118 Millionen Tonnen als Speisefische und der Rest wurde zu Öl oder Mehl weiterverarbeitet. Bei diesen Mengen ist es nicht verwunderlich, dass viele Arten überfischt und vom Aussterben bedroht sind. Sie können sich trotz Fangverbot nicht mehr erholen. Dazu tragen auch die Fangmethoden bei. In kilometerlangen Netzen stecken Unmengen an Meerestieren fest, die die Fischer als «unnützen» Beifang tot oder verletzt über Bord werfen. Die FAO geht dabei von rund 20 Millionen Tonnen Meerestieren aus, die sich in Schleppnetzen und Langleinen verfangen.

Beifang: Aus diesen Netzen entwischt kein Fisch

Heutzutage wird der Fang direkt auf den Schiffen zu Filets weiterverarbeitet und eingefroren. Mit immer größeren Netzen fangen sie oftmals Meerestiere, die nicht auf dem Speiseplan stehen wie Schildkröten, Meeressäuger und Krustentiere. Dieser Beifang macht knapp ein Viertel des weltweiten Wildfangs aus. Laut WWF verenden so jährlich schätzungsweise 300.000 Wale und Delfine, 100 Millionen Haie sowie 300.000 Seevögel. Entscheidend ist dabei die Fangmethode, also ob Grundschleppnetze oder Kilometer lange Angelschnüre eingesetzt werden. So sterben für ein Kilogramm tropische Crevetten zwischen fünf bis 20 Kilogramm Meerestiere in den Netzen. Um den Beifang zu reduzieren, fordern Umweltverbände grössere Maschen, Sortiergitter, Fluchtklappen oder runde statt J-förmige Angelhaken.

Fischpiraterie: Überfischung durch illegales Fangen

Die illegale, unregulierte und undokumentierte Fischerei, kurz IUU, unterwandert die weltweiten Regelungen. In unbewachten Bereichen fangen die Fischpiraten ohne Genehmigung. Oftmals fischen sie geschützte Arten mit teils verbotenen Fanggeräten. Das Geschäft lohnt sich, denn bereits ein Viertel der weltweiten Fischfänge stammen aus ihren Netzen und die Europäische Kommission geht von einem jährlichen Umsatz von zehn Milliarden Euro aus.

Überfischt trotz Aquakultur

Schweizer Fischfarmen liefern inzwischen ein Drittel des gesamten Angebotes. Insgesamt 19.000 Tonnen Zuchtfisch werden jährlich in künstlichen Beckensystemen aufgezogen, die sich in stehenden Gewässern oder an Meeresküsten befinden. Viele Verbraucher entscheiden sich an der Ladentheke für den gezüchteten Fisch. Sie sind überzeugt, dass sie mit dieser Wahl ökologisch bewusst und nachhaltig konsumieren. Doch in der Regel versteckt sich dahinter Massentierhaltung. Ein weiteres Problem ist, dass europäische Farmen größtenteils Raubfische wie Lachse und Forellen züchten. Sie fressen große Mengen an Futtermehl, das meist aus wildgefangenen Fischen wie Sardellen hergestellt wird. Deshalb stecken in einem Kilo Zuchtfisch durchschnittlich bis zu fünf Kilo verfütterter Meeresfisch. Wer Produkte aus den nicht ökologischen Zuchtfarmen einkauft, unterstützt letztlich die Überfischung tatkräftig mit.

Bei der Überfischung enden Delfine oft als Beifang.

Nicht nur Meeresfrüchte, auch Delfine sterben oft als Beifang. Foto: Jupiterimages, photos.com, Thinkstock

Einen Ausweg bietet die ökologische Aquakultur. Die Fischfarmen züchten hauptsächlich Karpfen und Lachsfische nach EU-Ökorichtlinien. In der Schweiz werden zumeist Forellen in Teichwirtschaften gezogen. Wichtiger Grundpfeiler ist der Einsatz von nachhaltigen Futtermitteln. Um die Raubfische nicht zum Vegetarismus zu zwingen, erhalten sie recyceltes Fischmehl, was aus Schlachtabfällen aus der Lebensmittelindustrie stammt. Teilweise ist auch pflanzliches Futter aus der Bioproduktion beigemischt. In diesen Gehegen werden die Zuchtfische artgerecht gehalten. Zudem kommen weniger Medikamente und keine Hormone zum Einsatz, was letztlich den Verbrauchern zu Gute kommt. Bisher steckt die ökologische Aquakultur aber noch in den Kinderschuhen, denn weltweit gibt es derzeit nur 250 zertifizierte Fischfarmen.

Was können Verbraucher gegen die Überfischung tun?

Nach Ansicht von «Fair-Fish» gehören Fischgerichte nicht täglich auf den Tisch. Verbraucher sollten sogar nur ein bis zwei Mal monatlich Fisch oder Meeresfrüchte verzehren. Welche Filets aus nachhaltiger Fischerei und Aquakultur stammen, zeigen verschiedene Schweizer Labels.Wer beim Kauf auf das MSC-, AquaGAP oder Bio-Label achtet, konsumiert verantwortungsvoll und umweltbewusst. Bei Zuchtfischen sind pflanzen- oder allesfressende Arten wie Karpfen oder Pangasius zu bevorzugen. Der WWF rät zum Verzehr von einheimischem Wildfang, um damit ein wirkungsvolles Zeichen gegen die Überfischung zu setzen. Alltagsnahe Tipps gibt der WWF-Fischratgeber, der kostenlos heruntergeladen werden kann. Ferner ist es möglich, den Einkaufsratgeber online zu durchsuchen oder sich als als App auf das Iphone zu laden.

Den Meeren hilft nur noch eine klares «Stopp». Jeder Fisch, den Verbraucher nicht konsumieren, wird letztlich auch nicht gefangen. Vielleicht sind dann die Meere noch zu retten.

Link Tipps

  • greenpeace.org - Konsumentenratgeber von Greenpeace für das iPhone
  • wwf.ch - Der WWF zeigt, welche Label über verantwortungsvolle Fischerei und Aquakultur informieren
  • fibl.org - FIBL gibt umfassend Auskunft über die ökologische Fischzucht.

 

 

Text: Kerstin Borowiak

Quellen: FAO, WWF, Greenpeace, SF, Fair-Fish, tier-im-fokus, FIBL

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