Fair-Food-Initiative: 14 Fragen und Antworten

Am 23. September 2018 stimmen die Schweizer über die Fair-Food-Initiative ab. Die 14 wichtigsten Fragen und Antworten zur Initiative.

Fair-Food-Initiative 15 Fragen und Antworten
Foto: © MattoMatteo/ E+

1. Was ist das Ziel der Fair-Food-Initiative?

Die Initiative verlangt, dass der Bund nachhaltig, tierfreundlich und fair hergestellte Lebensmittel sowie regionale und saisonale Lebensmittel stärker fördert. Weiter sollen die Auswirkungen von Transport und Lagerung auf die Umwelt reduziert werden und der Bund soll Massnahmen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln treffen.

2. Wie soll die Initiative umgesetzt werden?

Der Bund soll für die Schweizer Produkte Vorgaben machen. Diese Standards sollen grundsätzlich auch für importierte Lebensmittel gelten. Der Bund kann eine genauere Deklaration für Lebensmittel vorschreiben und die Branche verpflichten, ökologische und soziale Ziele zu verfolgen. Er kann für ausgewählte Lebensmittel die Zölle anpassen. Das kann zur Folge haben, dass fair produzierte Lebensmittel billiger werden, Fleisch aus Massentierhaltung hingegen teurer.

Um regionale und saisonale Nahrungsmittel zu fördern, könnte der Bund beispielsweise die Werbung für diese Produkte stärken.

3. Wie viele Nahrungsmittel importiert die Schweiz jährlich?

Rund die Hälfte der Lebensmittel kommt aus dem Ausland. Die Schweiz importiert jährlich zwischen 3 und 3,8 Millionen Tonnen Lebensmittel. Wobei die wichtigsten Lebensmittel alkoholfreie Getränke, Früchte, Ölsaaten, aber auch Getreide und Gemüse sind. 99 Prozent aller tierischen Produkte werden in der Schweiz produziert. 42 Prozent sind es bei pflanzlichen Lebensmitteln.

Fair-Food-Initiative Importe in die Schweiz

Grafik: zVg Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen

4. Müssen Schweizer Standards eins zu eins für Importprodukte gelten?

Geht man nach dem Wortlaut der Initiative, dann müssen für importierte Lebensmittel die gleichen Standards gelten wie für heimischen Produkten. Inzwischen sind die Initianten von dieser Position abgerückt. Die Vorgaben dürfen sich unterscheiden, doch sie müssen eine nachhaltige Entwicklung fördern. Auf diese Weise wollen die Initianten dem Vorwurf entgegnen, ihr Begehren gefährde internationale Handelsabkommen.

5. Wie geht der Bund heute mit Lebensmitteln um, die unseren Gesetzen nicht entsprechen?

Heute hat der Bundesrat drei Möglichkeiten: Werden Lebensmittel im Ausland mit Methoden produziert, die hierzulande aus Umwelt-, Pflanzen- oder Tierschutzgründen verboten sind, kann der Bundesrat erstens die Einfuhrzölle auf diese Produkte erhöhen, zweitens Vorschriften zur Deklaration erlassen oder drittens deren Import verbieten – vorausgesetzt, es werden keine internationalen Abkommen verletzt.

6. Nutzt der Bundesrat diese Optionen?

Verbot von Legebatterien-Eiern: Beispiel für Fair-Food Initiative

Foto: © Pedarilhos/ iStock / Getty Images Plus

Ja. Beispielsweise müssen Eier aus Legebatterien deklariert werden, dürfen aber immer noch importiert werden, obwohl in der Schweiz seit 1992 ein Verbot für solche Eier gilt. Die Deklarationspflicht hat dafür gesorgt, dass Legebatterie-Eier viel weniger gekauft werden. Gleichzetig verweisen die Initianten jedoch darauf, dass immer mehr Fleisch und Eier aus Massentierhaltung auf unseren Tellern landen, ohne dass transparent informiert werde.  

7. Warum kann der Bundesrat solche Lebensmittel nicht einfach verbieten?

Wegen den internationalen Handelsverträgen, beispielsweise mit der World Trade Organisation (WTO) oder der EU. So basiert das Recht der Welthandelsorganisation (WTO) auf dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Das heisst: Gleichartige Produkte aus dem Ausland dürfen gegenüber inländischen Produkten nicht benachteiligt werden. 

8. Aber, fair und nachhaltig produzierte Lebensmittel wären doch nicht gleichartig wie beispielsweise solche aus Massentierhaltung?

Das stimmt, allerdings akzeptiert das WTO-Recht Produktionsmethoden oder Produktionsbedingungen nicht als Rechtfertigung, um den Import zu behindern – auch nicht mit einer Abstufung von Einfuhrzöllen. Auch existieren keine international anerkannten Standards zu fair produzierten Lebensmitteln.

9. Macht die WTO keine Ausnahmen beim Diskriminierungsverbot?

Doch, aber die Anforderungen für solche Ausnahmen sind sehr hoch. Gerade weil es keine international anerkannten Standards für fair produzierte Nahrungsmittel gibt, befürchtet der Bundesrat, dass dadurch Handelsstreitigkeiten entstehen könnten. Abgesehen davon könnte laut Bund die Umsetzung der Initiative bei den bilateralen Abkommen mit der EU und rund 30 weiteren Freihandelsabkommen zu Problemen führen.

10. Was entgegnen die Initianten diesen Befürchtungen?

Die Initianten setzen auf Anreize statt Verbote, wie dies etwa bei den Batterie-Eiern funktioniert hat. Statt Verboten soll der Bundesrat die Möglichkeiten einsetzen, die er bereits hat. Also Deklarationspflicht, tiefere Zölle oder Begünstigung von Fair-Trade- und Biolebensmitteln bei der Vergabe von Importkontingenten. Auch die Schaffung von Labels wäre eine Option.

11. Welche weiteren Schwierigkeiten bei der Umsetzung sieht der Bundesrat?

Die Produktionsbedingungen im Ausland müssten kontrolliert werden. Diese Kontrollen könnten die Lebensmittel in der Schweiz verteuern. Dies könnte auch Schweizer Betriebe treffen, die importierte Lebensmittel verarbeiten. Die Initianten entgegnen, dass Lebensmittel nicht generell teurer würden. Zwar würden sehr billige Produkte wie etwa Fleisch aus Massentierhaltung teurer, hingegen dürften die Preise für Qualitätsprodukte bei einem Ja zur Initiative sinken, so die Initianten.

12. Wer steht hinter der Initiative?

Lanciert hat die Initiative die Grüne Partei. Sie wird von über 30 Organisationen unterstützt, darunter Umweltschutz-, Tierschutz- und Konsumentenorganisationen oder Gewerkschaft. Auch SP und EVP sagen Ja. Dagegen haben GLP, die Stiftung für Konsumentenschutz und der Bauernverband Stimmfreigabe beschlossen.

13. Wer ist gegen die Initiative?

Sowohl Bundesrat als auch Parlament haben sich gegen die Initiative ausgesprochen. Nein sagen auch SVP, FDP, CVP und BDP. Economiesuisse, GastroSuisse, der Schweizer Gewerbeverband, Hotelleriesuisse, das Schweizer Konsumentenforum und die Föderation der Schweizer Nahrungsmittel-Industruien (Fial) sprechen sich ebenfalls gegen die Initiative aus.

14. Was sind die Unterschiede zur Initiative für Ernährungssouveränität?

Beide Initiativen wollen die regionale Produktion von Lebensmitteln stärken und kritisieren zudem den ökologisch und sozial problematischen Handel vieler Lebensmittel. Beide Initiativen verlangen, dass importierte Lebensmittel bei sozialen und ökologischen Belangen grundsätzlich Schweizer Standards erfüllen sollen.

Davon abgesehen gibt es wichtige Unterschiede:

  • Die Initiative für Ernährungssouveränität ist viel stärker auf die Agrarpolitik im Inland ausgerichtet, dagegen richtet die Fair-Food-Initiative das Augenmerk stärker auf den Import von Lebensmitteln.   
  • Die Fair-Food-Initiative fordert vom Bund, Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen. Food Waste ist bei der Initiative für Ernährungssouveränität kein Thema.
  • Im Gegensatz zur Initiative für Ernährungssicherheit fordert die Fair-Food-Initiative, dass importierte Nahrungsmittel auch Anforderungen im Bereich des Tierschutzes erfüllen müssen.
  • Die Initiative für Ernährungssouveränität will Gentechnik verbieten, darunter auch neuere Technologien. Die Fair-Food-Initiative äussert sich nicht dazu.
  • Die Fair-Food-Initiative fordert eine genauere Deklaration der Produkte in den Geschäften. Das fordert die Initiative für Ernährungssouveränität nicht.
  • Die Initiative für Ernährungssouveränität will Schweizer Bauern schützen, weil immer weniger Bauern in immer grösseren Betrieben arbeiten. Die Initiative fordert, dass der Bund dafür sorgt, dass wieder mehr Personen in der Landwirtschaft tätig sind und gerechte Löhne erhalten. Der Bund müsste Normen für Arbeitsbedingungen erlassen. Diese Forderungen sind bei der Fair-Food-Initiative nicht enthalten.
  • Landwirtschaftliche Produkte sollen «in allen Produktionszweigen und -ketten gerechte Preise» erhalten, so fordert es die Initiative für Ernährungssouveränität. Der Bund müsste stärker in die Preisbildung eingreifen. Die Fair-Food-Initiative fordert das nicht.

Die NZZ führt ein Online-Dossier zur Fair-Food-Initiative, das laufend aktualisiert wird.

Quellen: Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, Easyvote.ch, aargauerzeitung.ch, nzz.ch, srf.ch

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