Altes Konzept neu entdeckt: Einmaliges Generationenhaus in Winterthur
In dem ökologisch errichteten Generationenhaus in der Giesserei Winterthur wohnen 155 Parteien nach dem Motto «gemeinsam statt einsam». Nebenbei ist die autofreie Siedlung schweizweit die grösste in Holzbauweise.
Es war ein ehrgeiziges Vorhaben, welches der Bauherr GESEWO, Gesellschaft für selbstverwaltetes Wohnen, mit einem einmaligen Bauprojekt umsetzen wollte: Ein Mehrfamilienhaus in streng ökologischem Minergie-P-Standard, das alle Altersschichten unter einem Dach vereint. Und seit Februar 2013 ist es Realität. Jung und Alt wohnen zusammen in einer harmonischen Gemeinschaft, im hoch energieeffizienten Gebäude, in dem das Miteinander vergangener Tage Dreh- und Angelpunkt eines nachhaltigen Lebens ist.
Auf etwa 15‘000 Quadratmetern Wohnfläche in einem modernen Holzbau fühlen sich rund 300 Menschen aller Altersgruppen sichtlich wohl, geniessen die Gemeinschaft und profitieren davon. Die pensionierte Dame aus der Nebenwohnung wird da schnell mal zum Babysitter, die Nachbarn auf dem gleichen Stock kochen einmal monatlich zusammen und der Handwerker in Rente bringt dem Anfänger in der hauseigenen Werkstatt den Umgang mit diversen Werkzeugen bei. Aber nicht genutzt wird das Haus zusammen, die Anlage wird auch gemeinschaftlich gepflegt. Jeder Bewohner soll 36 Pflichtstunden im Jahr ableisten. Das Treppenhaus selbst reinigen, die Grünanlage pflegen oder in der Selbstverwaltung helfen hat viele Vorteile, geringe Nebenkosten inklusive.
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«Gemeinsam statt einsam!», das ist das Motto der Bewohner des Mehrgenerationenhauses in der Giesserei Winterthur. Das grosse Holzhaus wurde nach streng ökologischem Minergie-P-Standard gebaut und beherbergt 155 Wohnparteien, in denen sich sowohl Rentner als auch junge Familien wohl fühlen. Foto: © Giesserei Winterthur
Was macht das Generationenhaus so besonders?
Nachhaltigleben.ch wollte es genauer wissen und sprach mit einem Bewohner der Siedlung, dem 43-jährigen Familienvater Peter Tischhauser. "Ökologie war in unserer Kleinfamilie schon immer ein zentrales Thema“, verrät Tischhauser einen der Beweggründe, warum die Giesserei Winterthur bereits zu Baubeginn interessant erschien. „Nachdem wir Leute getroffen hatten, die dort bereits lebten und nur so von dem Generationenhaus schwärmten, waren wir neugierig und schauten uns die Giesserei an. Die Stimmung dort, die Ausstattung, die Tatsache, dass dies eine autofreie Siedlung ist – das war genau unser Ding. Und bezahlbar war unsere heutige Wohnung dort auch.“ Weil damals noch einige Wohnungen frei waren, konnte der Umzug schnell geplant werden. Die erste Bestätigung, dass sie als neue Bewohner keine Mühe hatten in der Gemeinschaft des Generationenhauses aufgenommen zu werden, kam schnell: „Bereits vor dem Einzug wurden wir von unseren neuen Nachbarn eingeladen, heute kochen wir in einer kleinen Gruppe einmal im Monat.“
Architektonisch lobt Peter Tischhauser die sehr ansprechende Gestaltung der extrem gut schallgedämmten Wohnung und die Tatsache, dass es keine Fenster sondern nur Türen gibt. Sie bringen viel Licht ins Innere und führen allesamt raus auf die durchgehenden Loggien. Mit einer überdachten Loggia und einer unter freiem Himmel hat die dreiköpfige Familie gleich zwei grosszügig geschnittene Balkone, die zu zusätzlichen Wohnräumen bei jedem Wetter wurden. Und dass die Gemeinschaft wirklich eine Gemeinschaft ist, erlebt Tischhauser Tag für Tag. „Wenn man nicht pünktlich zuhause sein kann, dann sind die Nachbarn für die Kinder da, und da wir selbst keinen Hund wollten, geht unsere Tochter eben mit dem Hund der Nachbarn Gassi. Die sind wirklich die dicksten Freunde und so was ist hier völlig normal“.
Generationenhaus Giesserei: Durchdacht bis ins Detail
Wohl wirklich in allen Belangen ist die Giesserei Winterthur Vorreiter für das moderne Wohnen in der Schweiz. Denn bei der Errichtung des Generationenhauses wurde wirklich alles durchdacht. So auch die technische Ausstattung. Da gibt es beispielsweise ressourcenschonende Glasfaserkabel für alle Kommunikationskanäle. Das spart wertvolles Kupfer und energieintensives Plastik für die sonst übliche Verkabelung ein, und so ist das Haus auch noch optimal für die Kommunikation der Zukunft gerüstet.
Weiterhin setzt das Generationenhaus auf das intelligente Smart-Metering. Dabei werden Strom- und Wasserverbrauch, aber auch der Verbrauch von Heizenergie von intelligenten Zählern erfasst deren Daten jeder Bewohner in Echtzeit abrufen kann. Und schliesslich sind von Elektrosmog geplagte Menschen in der Giesserei Winterthur gut aufgehoben. Hierfür sind Leitungen im Boden verlegt oder mindestens einen Meter von möglichen Schlafplätzen entfernt. Zudem wurden bei der Errichtung des Hauses diesbezüglich Wünsche berücksichtigt.
Gewerberäume, eine Kindertagesstätte, eine Bibliothek und ein demnächst eröffnendes Biorestaurant runden das Wohlfühlambiente ab. Offen für alle, auch jene, die nicht in dem Generationenhaus wohnen. Und herrschen laue Abendtemperaturen, treffen sich die Bewohner auf der südlich ausgerichteten Dachterrasse, die zu einer kleinen Bar ausstaffiert wurde. Ganz autofrei ist die Siedlung übrigens nicht. Es gibt ein paar wenige Anwohner- und Besucherparkplätze. Doch wie wichtig das autofreie Konzept ist, zeigt die Zahl von 580 Veloparkplätzen.
In naher Zukunft werden schliesslich mehrere Pflegeplätze eingerichtet, sodass man wirklich mit jedem Alter gemeinsam unter einem Dach lebt. Die Giesserei Winterthur bedeutet damit wirklich nachhaltig miteinander leben. Übrigens: Nur noch eine Penthousewohnung ist derzeit frei.
Quelle: GESEWO, Giesserei Winterthur
Text: Jürgen Rösemeier-Buhmann, 2013