«Wir können in jedem Beruf Einfluss nehmen»

Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig – sogar die Energiewende sei durch ihn bedroht, so liest man immer öfter. Müssen wir nun alle vollberuflich Solarpanels auf Dächer schrauben? Nein, sagt die Bereichsleiterin Bildung von myclimate Regula von Büren und erklärt im Interview, wie wir trotzdem alle unseren Beitrag leisten können.

eine Frau mit violett gefärbten schulterlangen Haaren steht auf einem Platz mit Brunnen
Regula von Büren leitet den Bereich Bildung der Stiftung myclimate. © Redaktion

Das Projekt «Jobs for Future» von myclimate hat sich das Ziel gesetzt, das Potenzial eines jeden Berufes zur nachhaltigen Entwicklung aufzuzeigen. Mit Projekten in Oberstufen und Berufsschulen sollen vor allem junge Menschen vom Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber des drohenden Klimawandels befreit und zur Eigeninitiative motiviert werden. Wir haben die Bereichsleiterin Bildung Regula von Büren gefragt, wie die Umsetzung dieser Ideen funktioniert.

Frau von Büren, Sie sind davon überzeugt, dass jeder Beruf seinen Beitrag leisten kann für eine nachhaltigere Wirtschaft. Was sagen Sie denn beispielsweise einem Kassierer, was er verändern kann?

Wir alle können – und sollen – auch im Beruf einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Idee, dass nur Solarinstallateur:innen, Umweltwissenschaftler:innen etc. etwas fürs Klima machen könnten, halte ich für falsch. Beispielsweise ist man an der Kasse auch in der Warenpräsentation tätig. Dort kann man aktiv zur Prävention von Food Waste beitragen und damit einen wichtigen Beitrag zur Co2-Reduktion und Ressourcenverschwendung leisten. 

Klingt toll in der Theorie, doch werden solche Eigeninitiativen in der Praxis auch wirklich umgesetzt?

In unserer Arbeit sehen wir, dass Ideen und Innovationen für mehr Nachhaltigkeit im Betrieb in der Regel tatsächlich sehr willkommen sind. Oft erhalten wir begeisterte Feedbacks über die kreativen Ideen der Jugendlichen! Mitdenkende und mitgestaltende Mitarbeitende werden je länger je stärker zu einem Plus in der Arbeitswelt. Jedes Unternehmen braucht engagierte und motivierte Leute, damit Klimaschutzstrategien mitgetragen und umgesetzt wird.

Ok, einverstanden. Dennoch fehlen uns aktuell für die Energiewende so einige Fachkräfte. Weshalb macht man nicht mehr Werbung für diese Berufe?

Es ist in der Tat nicht ganz einfach, genügend Fachkräfte wie z.B. Solarmonteur:innen zu finden. Die Berufsverbände sind hier dran, entsprechende Berufe stärker in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken und Quereinstiege zu erleichtern. Im schnellen Wandel ist es oft schwierig, die künftigen Bedürfnisse der Gesellschaft gut abschätzen zu können. 

Also kann das Bildungsangebot schlicht nicht mit dem Wandel in der Wirtschaft Schritt halten?

Genau. Es kann sein, dass in 10 Jahren schon wieder ganz andere Fachleute gefragt sind. Der klassische Beruf, den man von Ausbildung bis zur Pensionierung in fast gleicher Form ausübt, hat wohl ausgedient. Kompetenzen, welche uns für die Zukunft fit machen, gewinnen an Bedeutung. Darunter fallen z.B. Kooperationsfähigkeit, Innovationskompetenz oder der Umgang mit Unsicherheit. Die Förderung von solchen «Future Skills» kann helfen, hier flexibel und adaptiver werden. Darum setzten wir bei unseren Bildungsangeboten unter anderem genau bei der Stärkung solcher Kompetenzen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen an.

Weitere Beispiele für Future Skills:

  • Kritische Denkweise 
  • Kreativität und Innovationsfähigkeit
  • Flexibilität und Lernbereitschaft
  • Nachhaltigkeitsbewusstsein

Was raten Sie einem Teenager, der fragt, mit welchem Beruf er am meisten zur Energiewende beitragen kann?

Wir raten Jugendlichen, einen Beruf zu wählen, an dem man Freude hat. Denn sich kontinuierlich zu engagieren, braucht viel Energie und Durchhaltewillen.
Es braucht alle Berufe für die Energiewende und wir alle können im Rahmen unseres Handlungsspielraums einen Beitrag leisten. Als Privatperson und als berufstätige Person. Am wichtigsten ist, dass uns das bewusst ist. Der Trend geht klar in die Richtung, dass wir wegkommen vom schlichten Ausführen von Aufträgen und uns als innovativ denkende Arbeitsnehmende einbringen.

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