Was nützt CO2-Kompensation wirklich?

Wir produzieren einfach zu viel klimaschädliches Kohlendioxid – vor allem beim Reisen. Eine Gegenmassnahme: CO2-Kompensation. Doch wie sinnvoll ist dieser «Ablasshandel»?

CO2-Kompensation: Sinnvoll oder Ablasshandel?
Den Flug zu kompensieren, reicht lange nicht, um das Klima zu schützen. Foto: © oliale72/ E+

Nichts schlägt in Sachen CO2-Ausstoss derart zu Buche wie das Fliegen – Kreuzfahrten können da vielleicht gerade noch mithalten. Aber eigentlich wissen wir es längst: Wir sollten möglichst nicht mehr fliegen.

Und trotzdem: Die Schweiz gehört weltweit zu den Spitzenreitern in Sachen CO2-Emissionen durchs Fliegen. Schweizer fliegen dreimal so viel wie EU-Bürger.

So viel CO2 braucht ein Flug: Laut Rechner von myclimate.org stösst ein Flug von Zürich nach New York 2,3 Tonnen CO2 aus, nach Mallorca sind es knapp 0,5 Tonnen. Atmosfair kommt bei seinem Rechner für den New York-Flug sogar auf 3,6 Tonnen pro Person. Eine 10-tägige Kreuzfahrt auf einem grossen Dampfer stösst 2,4 Tonnen aus pro Person.

Wer dennoch fliegen oder eine Schiffsreise machen möchte, kann das ausgestossene Treibhausgas mit einer freiwilligen Abgabe ausgleichen, der CO2-Kompensation.Verschiedene Organisationen bieten die Möglichkeit, für den Klimaschutz freiwillig eine solche Abgabe zu zahlen.

Auf ihren Online-Plattformen kann man mittels CO2-Rechner seine Emissionen berechnen lassen und einen entsprechenden Betrag als freiwillige Abgabe zahlen. Mit dem Geld unterstützen die Organisationen überwiegend Projekte zum Klimaschutz in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Das zumindest wäre die Idee dieses Systems und eigentlich eine gute Sache, möchte man denken. Doch so einfach ist die Rechnung nicht.

Wie sinnvoll ist CO2 kompensieren wirklich?

Philip Gehri, Kommunikationsbeauftragter für Energie und Klima beim WWF Schweiz, sagt: «Das freiwillige Kompensieren ist zwar besser als nichts, wirklich wirksam ist aber nur, gar nicht erst Treibhausgase zu verursachen.»

Der Grund: Die Emissionen steigen durch die freiwillige Kompensation zwar bestenfalls nicht weiter, aber sie werden vor allem auch nicht weniger. «Damit die Klimaerwärmung nicht über gefährliche 1,5 bis 2 Grad steigt, müssen wir innert 20 Jahren auf netto Null CO2-Emissionen kommen», sagt Philip Gehri.

Er betont einen weiteren wichtigen Punkt in der Gleichung: Ein Zertifikat funktioniert nur, wenn es tatsächlich eine zusätzliche Reduktion anderswo auslöst.

Gewisse Projekte, die mit CO2-Kompensations-Zertifikaten finanziert werden, würden auch ohne zusätzliche Unterstützung realisiert. «Für viele – und gerade ärmere – Länder ist beispielsweise Solarenergie heute die günstigste Art der Energiegewinnung, deshalb werden entsprechende Anlagen ohnehin gebaut.» In einem solchen Fall macht das Geld aus einem Zertifikateverkauf keinen Unterschied und folglich liefert das Zertifikat auch keine zusätzliche Reduktion.

Die goldene Regel für den Klimaschutz

Der WWF plädiert deshalb dafür, wenn immer möglich, den CO2-Ausstoss zu reduzieren, also aufs Fliegen oder die Kreuzfahrt zu verzichten. «Ist dies nicht möglich, sollte man auf jeden Fall eine Kompensation zahlen und dabei auf seröse Anbieter achten», betont Gehri. Konsumenten sollten hier auf den Goldstandard setzen.

Dieser stellt sicher, dass neben dem Klima auch die Menschen selbst profitieren. Etwa indem faire Arbeitsplätzen geschaffen werden, die Gesundheitsvorsorge oder Bildungsprogramme gefördert werden oder Mensch und Natur in besserem Einklang leben können.

Es gibt zwar mehrere Goldstandards bei den Klimaschutz-Projekten, die mit Kompensations-Zertifikaten finanziert werden, doch ähnlich wie das Biolabel bei Lebensmitteln setzen sie im Grossen und Ganzen den gleichen Standard voraus. Die Standards:  UN- oder CDM Goldstandard oder die Genfer Goldstandard Foundation.

Gefährlicher Effekt des Ablasshandels

Alleine die Goldstandard Foundation verweist auf über 1500 Klimaschutzprojekte in 80 Ländern mit über 100 Millionen Tonnen vermiedenen CO2-Emissionen. Dies entspricht den schweizweiten Emissionen von zwei Jahren.

Keine Frage, die freiwillige Kompensation hilft dem Klima, doch sie läuft auch Gefahr, zu einem Ablasshandel fürs gute Gewissen zu werden.

Man kauft sich mit der Kompensation eben auch ein Stück weit das gute Gewissen. Wer für CO2 bezahlt, hat seinen Flug kompensiert, da kann man gleich wieder in den nächsten Flieger steigen und um die Welt jetten. Rebound Effekt nennt sich das und ist für unser Klima verheerend.

Nachhaltigleben

Das Prinzip der Klimakompensation. Foto: South Pole Carbon

Besser beurteilt Philip Gehri eine obligatorische Kompensation, die sich an den tatsächlich verursachten Klimaschäden orientiert: «Würde ein Flugticket mit den realen Kosten für die Umwelt und einer entsprechenden CO2-Abgabe belastet, würde deutlich weniger geflogen.» Wie Studien zeigten, nehme die Passagierzahl mittelfristig um 10 Prozent ab, wenn das Flugticket 10 Prozent mehr koste.

Laut einer Studie des deutschen Umwelt-Bundesamts verursacht eine Tonne CO2 im Schnitt Umweltschäden im Wert von 180 Euro, also rund 200 Franken. Für einen Flug von Zürich nach Mallorca müsste man daher 65 Franken zusätzlich zum regulären Ticket zahlen. Ein Flug von Zürich nach Sydney müsste mit 1415 Franken zusätzlich zu Buche schlagen.

Die Organisationen im Überblick

In der Schweiz sind vor allem drei Organisationen bekannt, die laut WWF als seriös gelten:

Die Organisationen bieten verschiedene Kompensationsmöglichkeiten in der Schweiz. Mit dem gespendeten Geld werden Klimaschutz-Projekte wie beispielsweise Aufforstungsprogramme oder Solarkocher finanziert, die Abholzungen verhindern und klimaneutrales Kochen ermöglichen. Andere Projekte investieren in Biogasanlagen für die lokale Bevölkerung, erneuerbare Energien oder in faire Landwirtschaft.

Wie wenige Emissionen wären eigentlich ok?

Soll der Klimawandel aufgehalten werden, dann dürfte jeder Erdenbürger ab sofort pro Jahr nicht mehr als 600 kg CO2 verursachen, sagt die planetare Belastbarkeitsgrenze. Davon sind wir Lichtjahre entfernt.

So erschreckend ist unser CO2-Fussabdruck

Laut dem CO2-Fussabdruck-Rechner der Stiftung Myclimate produzieren selbst vegetarische Minimalisten, die auf das Velo und ÖV setzen, 3,5 Tonnen CO2 im Jahr. Der Durchschnitts-Schweizer schafft es, laut Bundesamt für Umwelt auf unglaubliche 14 Tonnen jährlich, wenn man die im Ausland verursachten Emissionen einbezieht.

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