Joachim Klement: «Aus der Krise ergeben sich Chancen»

Joachim Klement arbeitet als Chief Investment Officer bei der Unternehmensberatung Wellershoff & Partner. Mit nachhaltigleben sprach der Experte für Geldanlagen über die Auswirkungen der Japan-Krise auf die Finanzmärkte.

Joachim Klement von der Unternehmensberatung Wellershoff & Partner im Interview zu nachhaltigen Geldanlagen und der Japan-Krise.
Joachim Klement, Chief Investment Officer, Wellershoff & Partner Ltd. Foto: Bianca Sellnow

Wie wird die Krise in Japan den weltweiten Finanzmarkt beeinflussen?

Die grösste Sorge sind die wirtschaftlichen ebenso wie die gesellschaftlichen Folgen der nuklearen Katastrophe, die allerdings noch kaum absehbar sind. Was bereits bekannt ist, sind die Zerstörungen durch den Tsunami. Diese haben zwar erst einmal negative Auswirkungen auf die Wirtschaft. Langfristig gesehen wird sich der nötige Wiederaufbau der zerstörten Gebiete jedoch positiv auf Japans Wachstum auswirken. Problematisch dabei ist jedoch, dass Japans Verschuldung bereits sehr hoch ist. Dadurch könnte es passieren, dass der Staat mit den Wiederaufbauleistungen überfordert ist und in eine Kreditkrise hinein steuert. Bei allen Folgen für die Wirtschaft ist das Leid der Menschen allerdings eine viel grössere und kaum absehbare Tragödie als die Lage des Finanzmarktes. Das wird in der Debatte leider immer vergessen.

Welche Folgen wird die Krise für den Schweizer Finanzmarkt haben?

Im Exportgeschäft wird es definitiv Folgen für die Schweiz haben. Da kommt es jedoch darauf an, was für Exporte das sind. Die Bau- und Konstruktionsbranche wird am ehesten von dem Wiederaufbau profitieren. Bei den Luxusgütern wird der Export hingegen einige Zeit lang stagnieren, da es weniger Menschen gibt, die sich Luxusgüter leisten können.

Wie werden sich die Trends der Finanzmärkte durch den Vorfall in Japan verändern?

Das ist derzeit schwierig zu sagen, aber es ist davon auszugehen, dass die generellen Konjunktur-Trends in Westeuropa und Nordamerika sich nicht verändern. Interessant zu beobachten ist jedoch in nächster Zeit der Stimmungswechsel im Hinblick auf Kernenergie. Man sieht das bereits in Deutschland. Die Reaktoren werden grösstenteils abgeschaltet und einer Überprüfung unterzogen. In der Schweiz gibt es ähnliche Diskussionen. In einem langen Kontext ist das ein Vorteil für den Markt für erneuerbare Energien wie Solar, Wind und Erdwärme. Kurzfristig ist es jedoch am ehesten vorteilhaft für Investitionen in Erdgas, weil das schon bereit steht und einspringen könnte, wenn man versucht, die Kernenergie zu reduzieren und die Reaktoren abzuschalten.

Ist es ökonomisch der richtige Weg, Atomkraftwerke abrupt abzuschalten?

Ein abruptes Abschalten der Atomkraftwerke wäre erst einmal sehr kostspielig. Hinzu kommt, dass man dadurch gerade in der Schweiz wesentlich abhängiger vom Import von alternativen Energien wäre, da das Land derzeit nicht im Stande ist, eine Selbstversorgung zu realisieren. Der Strom müsste entweder aus anderen Kraftwerken importiert werden, oder aus Kohle- oder Gaskraftwerken, die dann allerdings auch ihre Kapazität aufstocken müssten. Deshalb ist es schwierig zu sagen, dass mit einmal alle Atomkraftwerke abgestellt werden sollen.

Welches wäre ein alternativer Weg zur abrupten Abschaltung von Atomkraftwerken in der Energiepolitik?

Wenn man sich möglichst schnell von den Kernkraftwerken verabschieden möchte, dann muss man das über einen Zeitraum von 5 - 10 Jahren machen. Es müssen sinnvolle Alternativen gefunden werden, so dass der CO2-Ausstoss trotz Umstellung nicht erhöht wird. Der Umbau der Energiewirtschaft müsste dafür langsam stattfinden und auf ein abruptes Abschalten der Atomkraftwerke verzichten.

Erst die Umbrüche in Nordafrika, dann die atomare Katastrophe in Japan. Kann die Wirtschaft überhaupt weiterhin auf die zwei Hauptstützen der Energieversorgung bauen?

Eine Energiewende ist praktisch unvermeidlich. Die fossilen Brennstoffe werden irgendwann zu Ende gehen. Betrachtet man beispielsweise den derzeitigen Verbrauch an Öl, dann wird schnell klar, dass dies auf Dauer nicht praktikabel ist. Auf lange Sicht muss ein Umstieg auf erneuerbare Energien stattfinden. Allerdings stellt sich die Frage, wie lange das noch dauern wird. Eine Umstellung wird wahrscheinlich erst passieren, wenn das Öl und andere fossile Brennstoffe so teuer werden, dass nachhaltige Energien preislich attraktiver werden.

Seit der Krise in Japan sind Solar-Aktien stark gestiegen. Wird dieser Boom längerfristige Auswirkungen haben?

Der Anstieg der Solar-Aktien ist eine positive Folge der Katastrophe. Allerdings werden die Aktien nicht auf Dauer steigen. Derzeit wird der Bau von Solaranlagen noch subventioniert. Die Staatsverschuldung in den westlichen Staaten ist jedoch so hoch, dass in Zukunft immer mehr gespart werden muss. Das wird dazu führen, dass diese Subventionen in vielen Ländern langfristig gestrichen werden müssen. Die Schweiz hat dabei allerdings eine Sonderstellung. Sie ist praktisch nicht von nötigen Einsparungen betroffen und hätte damit die Gelegenheit, ein Vorreiter für erneuerbare Energien zu werden.

In Ihrer Beratung beschäftigen Sie sich mit langfristigen Prognosen der Finanzmärkte. Den Krisen der letzten Jahre war gemeinsam, dass sie kaum vorhersehbar waren. Welchen Wert haben da noch derartige Prognosen?

In der Beratung haben wir nach Möglichkeit versucht, Prognosen zu vermeiden, da diese viele unsichere Faktoren enthalten. Wir haben uns darauf beschränkt, Aussagen über Trends abzugeben, die mit grosser Sicherheit vorausgesagt werden können. Zum Beispiel gab es in den letzten 20 bis 30 Jahren fallende Zinsen. Deshalb geht man derzeit nicht davon aus, dass es in den nächsten zehn Jahren weiterhin fallende Zinsen geben wird, denn sie sind bereits bei einem Minimum angelangt. Und das ist praktisch die einzige Prognose, die wir uns getrauen zu machen, dass die Zinsen in den nächsten zehn Jahren tendenziell steigen werden. Aber diese eine Voraussage hat gravierende Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Ebenso wie die demographischen Trends, die verlässlich voraussehbar sind. Diese Trends zeigen, dass das Wirtschaftswachstum sich abschwächen wird und es deshalb in Zukunft mehr Rezessionen als in der Vergangenheit geben wird. Deshalb wird es in der Zukunft auch mehr Wirtschaftskrisen und Finanzkrisen geben als früher.

Interview: Bianca Sellnow
 

Lesen Sie mehr über die Folgen der Japan-Krise in einem weiteren Finanzexperten-Interview:
Robin E. Miranda: «Nachhaltige Geldanlagen sind stabiler».

 

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