Christian Hunziker: «Wir brauchen neue Technologien und einen Wertewandel»

Christian Hunziker ist Präsident der Öbu, dem Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften, sowie CEO und VR-Präsident der Hunziker Partner AG Technik im Gebäude. Im Interview mit nachhaltigleben spricht er darüber, welche Entwicklungen es in der Gesellschaft in den kommenden Jahren geben muss, um die Zukunft nachhaltiger zu gestalten.

Christian Hunziker im Interview mit nachhaltigleben.ch.
Christian Hunziker ist Geschäftsführer beim Öbu, Foto: privat

Die derzeitige Ausbeutung der Ressourcen muss beendet werden. Damit die notwendige, nachhaltige Entwicklung möglich wird, bedarf es allerdings deutlicher Veränderungen in unserem Lebenswandel. nachhaltigleben fragte bei Christian Hunziker nach, in wie weit in der Gesellschaft ein Umdenken nötig ist, oder ob es sogar ein ganz neues Denken geben muss.

Kann es überhaupt ein «Neues Denken» geben? Wenn ja, wie sollte es aussehen?

Altes Denken, neues Denken… Denken an sich ist gut! Wer offen und vorurteilslos denkt, findet auch heute die zielführenden Ansätze: Wir leben auf Kredit, ökonomisch, ökologisch, sozial. Das geht nicht auf, wir müssen eine Gesellschaft mit guter Lebensqualität und viel kleinerem Ressourcenverbrauch erfinden! Die Öbu ist der Meinung: Es braucht technologische Anpassungen und einen Wertewandel.

Wie wäre ein derartiges Denken anschlussfähig und damit umsetzbar in der Schweizer Politik?

Im Prinzip wollen wir alle das Gleiche, als BürgerInnen, PolitikerInnen, UnternehmerInnen: Gut leben und die Erde nicht zerstören. Wenn wir Lösungen zeigen, wie das geht, sogar mit einem Gewinn an Lebensqualität, wird es umgesetzt. Wir müssen beispielsweise nicht auf das Auto verzichten, sondern von den besseren Alternativen in der Mobilität profitieren und damit gleichzeitig verloren gegangene Spielplätze im Strassenraum zurück erobern.

Bräuchte es zum Beispiel, ähnlich wie in Deutschland, eine Enquete-Kommission, die übergreifend nach neuen Wegen sucht?

Es braucht keine neuen Institutionen. Es braucht glückliche, erfolgreiche Vorbilder.

Was müsste sich in der Gesellschaft ändern, um ein «Neues Denken» zu bewirken?

Wir müssen mit konkreten Lösungen aufzeigen, dass weniger besser ist. Essen aus lokaler und saisonaler Produktion schmeckt einfach besser als die industrielle Alternative. Weniger Autos schaffen bessere Verkehrsverhältnisse. Weniger technische Spielzeuge befreien uns zugunsten von mehr sozialen Beziehungen.

Oft wird von Seiten der Politik impliziert, neue Technologien alleine würden ausreichen, um die Nachhaltigkeit durch eine Steigerung der Ressourceneffizienz herbei zu führen. Stimmt das?

Mit neuen Technologien kann es die Nachhaltigkeit weit bringen. Ob allerdings der Umstieg ins postfossile und auch bei anderen Ressourcen nachhaltige Zeitalter gelingen kann, ist mehr als fraglich.

Herr Hunziker, einer der grossen Pioniere der Nachhaltigkeit, Ernst Ulrich von Weizsäcker, sieht neben dem Faktor Technologie noch die Notwendigkeit zu Verhaltensänderungen. Halten Sie eine Selbstbeschränkung der Konsumenten für realistisch?

Wie bereits mehrmals angetönt, braucht es keine Selbstbeschränkung, sondern einen dezidierten Anspruch auf wahre Qualitäten!

Wenn eine nachhaltige Gesellschaft nur durch persönlichen Verzicht möglich würde, wie könnte eine derartige Verhaltensänderung erreicht werden?

Wie gesagt, wir wollen mehr Qualität, weniger Quantität. Wem das nicht einleuchtet, der muss halt verzichten. Wenn die «schlechten» Produkte mehr kosten, weil die ökologischen Kosten in den Preisen einberechnet sind, kann sich nicht mehr Jede und Jeder materiellen Güter leisten.

Ein Umdenken würde wohl auch zu neuen Indikatoren für Wohlstand führen. Wie könnte ein derartiges neues Verständnis für Wohlstand aussehen?

Die heute gültige Messgrösse BIP basiert auf seltsamen Annahmen. Hier werden auch Leistungen als positiver Beitrag eingerechnet, die nun gar nichts mit Nachhaltigkeit zu tun haben: Die Sanierung der Sondermülldeponie Kölliken trägt insgesamt ca. 770 Millionen zum BIP bei, Verkehrsunfälle jährlich über eine Milliarde. Die privaten Leistungen für Kindererziehung, Altenpflege oder andere Freiwilligenarbeit sind hingegen nicht enthalten. Auch sagt das BIP nichts über die Lebensqualität aus. Das System, das die nachhaltige Gesellschaft braucht, muss diese Fehler korrigieren.

Sind Sie Optimist oder Pessimist? Wenn wir aus dem Jahr 2100 auf heute zurück blicken, was werden wir über die heutige Zeit sagen?

Natürlich Optimist. In den Geschichtsbüchern wird unsere Zeit als «der grosse Aufbruch» geführt werden.


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