Christoph Mayr: «Ich kann die Skepsis gegenüber kultiviertem Fleisch nachvollziehen»

Pflanzliche Alternativen zu Fleisch können nicht die alleinige Lösung sein, um den Konsum konventionellen Fleisches zu reduzieren. Deshalb, so erzählt Christoph Mayr im Interview, habe er mit einem Kollegen Mirai Foods gegründet. Das einzige Schweizer Start-up, das kultiviertes Fleisch herstellt. Uns interessiert, welche Vor- und Nachteile dieses Fleisch hat, für wen es gedacht ist und wann wir es in der Schweiz kaufen können.

Frau hält einen Burger in der Hand
Ein Burger kann auch ohne Schlachtung hergestellt werden. © MaximFesenko / iStock / Getty Images Plus

Stell dir vor, du beisst in einen saftigen Burger. Knackiger Salat, zartschmelzender Käse und ein Stück Fleisch – für das kein Tier geschlachtet wurde. Was in vielen Ohren noch wie Zukunftsmusik tönt, daran wird ein paar Katzensprünge von Zürich entfernt schon seit einigen Jahren gearbeitet.

Mirai Foods möchte besseres Fleisch auf den Markt bringen. Solches, das in grossen Rührkesseln kultiviert wird und für das lediglich ein paar Zellen einer Kuh notwendig sind. Wir haben mit CEO Christoph Mayr über die Zukunft von kultiviertem Fleisch geredet.

Was sind die Vorteile von kultiviertem Fleisch?

Wir unterteilen das immer in drei Kategorien, in Mensch, Tier und Umwelt. Erstmal zum Menschen: Konventionelles Fleisch hat Nachteile für unsere Gesundheit. Zum Beispiel durch den Einsatz von Antibiotika. 70 Prozent aller Antibiotika, die produziert werden, kommen in der Tiermast zum Einsatz und gelangen darüber in unseren Körper. Antibiotikaresistenz wird deshalb ein immer grösseres Problem. Wir setzen keine Antibiotika ein, da die Kultivierung von Fleisch ohnehin ein steriler Prozess ist.

Was die Tiere angeht: Tiere zu züchten, um sie zu schlachten, ist ja schon an sich nicht unbedingt tierfreundlich. Aber auch die Haltungsbedingungen und wie die Tiere geschlachtet werden ist aus ethischen Gesichtspunkten nicht ideal, um es mal mild auszudrücken.

Und zum Planeten: 15 Prozent der Treibhausgase werden direkt oder indirekt über Fleischkonsum verursacht. Insbesondere Rinder haben einen sehr schlechten Fussabdruck, vor allem wegen des Methans, das bei ihrer Verdauung entsteht. Aber die meisten Menschen sind eben Fleischesser. Das ist der Hauptgrund, warum wir Mirai gegründet haben. Wir müssen dem Konsumenten eine bessere Alternative bieten. Unsere ultimative Zielsetzung ist es, dass wenn im Supermarkt links das konventionelle und rechts das Mirai Fleisch liegt, man keinen Grund mehr hat, nach links zu greifen.

Im Gespräch: Christoph Mayr

Christoph Mayr von Mirai Foods
© Mirai Foods

Christoph ist CEO bei Mirai Foods und hat das Start-up 2019 zusammen mit Suman Das gegründet. Anlass dafür war das Wissen über den schlechten ökologischen Fussabdruck von Fleisch einerseits und die Frustration über das Angebot an Fleischalternativen andererseits.

Wie lange wird es denn noch dauern, bis ich diese Auswahl im Supermarkt habe?

Das kommt auf den Markt an. Hier in der Schweiz wird es vermutlich 2025 sein, bis unser kultiviertes Fleisch käuflich ist. Das hat viele Gründe, in erster Linie brauchen wir die entsprechende Genehmigung, da kultiviertes Fleisch als Novel Food gilt. Da muss sichergestellt werden, dass das Lebensmittel sicher ist für den Verzehr, was natürlich auch uns intern sehr wichtig ist.

Kritische Stimmen bemängeln ja, kultiviertes Fleisch sei nicht natürlich…

Da frage ich mich halt, was denn natürlich ist. Ist die Massentierhaltung natürlich? Ist es natürlich, dass man Tiere für ihr Fleisch züchtet und sehr jung schon schlachtet? Für mich ist es sehr natürlich, was wir machen, trotzdem kann ich die Skepsis gegenüber kultiviertem Fleisch nachvollziehen. Denn was wir machen, ist etwas Ungewohntes und Neues. Was in gewisser Weise ein Nachteil sein kann, weil viele Leute deshalb Berührungsängste haben.

Ein weiterer Kritikpunkt, den wir öfter hören, ist der, was denn mit den Landwirten passieren würde. Uns ist es ein Anliegen, die Landwirte miteinzubeziehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Bauer irgendwann einen Bioreaktor anstelle eines Kuhstalls auf dem Hof stehen hat und damit seinen Lebensunterhalt verdient.

Für wen soll In-vitro-Fleisch attraktiv sein, für Veggis oder für Fleischliebhaberinnen und -liebhaber?

Wir sprechen grundsätzlich von kultiviertem Fleisch und nicht so sehr von In-vitro- oder Laborfleisch. Denn letztendlich nutzt auch der Müsli-Hersteller um die Ecke ein Labor, um die Produkte zu testen und zu verbessern. Das ist bei uns nichts anderes. Aber zurück zur Frage: Wir adressieren Menschen, die gerne leidenschaftlich gerne Fleisch essen. Wenn aber ein Veganer oder eine Vegetarierin am Ende zu Mirai greift, ist das natürlich auch ein Kompliment.

Aber es gibt einfach so viele Fleischesser, circa 96 Prozent der Weltbevölkerung, und die werden ihr Verhalten so schnell vermutlich nicht ändern. Deswegen ist der beste Ansatz, ihnen kultiviertes Fleisch anzubieten, damit sie ihren Fussabdruck verbessern können, ohne Abstriche in Punkto Qualität oder Geschmack zu machen.

Wenn ich im Supermarkt in Zukunft die Wahl habe zwischen kultiviertem und herkömmlichem Fleisch, welches wird teurer sein?

Langfristig wird kultiviertes Fleisch günstiger sein. Aber bei jeder neuen Technologie ist es anfangs so, dass aufgrund der Kostenstruktur die Preise höher sind, was auch in Ordnung ist. Indem sich die Technologie immer weiterentwickelt, sinken dann auch die Preise. Wir haben sämtliche Berechnungen gemacht und können daher sagen, dass kultiviertes Fleisch langfristig die günstigere Alternative ist. Denn wir haben weniger Input für den gleichen Output. Sprich selbst wenn jetzt die Energiepreise durch die Decke gehen, betrifft das herkömmliches Fleisch mehr als unseres.

Über Mirai Foods

Mirai Foods ist das einzige Unternehmen in der Schweiz, das sich der Herstellung von kultiviertem Fleisch verschrieben hat. Dabei fokussiert sich das Start-up mit Sitz in Wädenswil (ZH) auf Rindfleisch auf Basis nicht genetisch veränderter, natürlicher Zellen. Die Vision des jungen Teams ist es, qualitativ hochwertiges Fleisch anbieten zu können, das auf umweltfreundliche und nachhaltige Art hergestellt wird. Heute arbeiten ca. 20 Mitarbeitende bei Mirai Foods. Unter miraifoods.com erfährst du mehr.

Wie kultiviertes Fleisch entsteht: Der Prozess kurz erklärt

Den Anfang macht ein winziges Stück Fleisch, das über eine Biopsie (Gewebeprobe) vom Rind entnommen wurde. Das ist kein grosser Eingriff, bei dem das Tier aufgrund einer lokalen Betäubung nichts verspürt und von dem es keine einschränkenden Folgen davonträgt. Alternativ kann auch ein frisches Stück Fleisch verwendet werden. Von dieser Gewebeprobe werden die Stammzellen isoliert. Die Stammzellen können dann auf natürliche Weise in grossen Rührkesseln vermehrt werden. Darin verdoppeln sie sich einmal am Tag.

Wenn genug Zellen vorhanden sind, reifen im letzten Schritt – der sogenannten Differenzierung – die Zellen zu Muskeln und Fett heran. Muskel und Fett können dann beliebig kombiniert werden, um daraus einen Burger-Patty, Hackfleisch oder ein Steak herzustellen. Übrigens: Mirai wird kein Produkt auf den Markt bringen, in dessen Prozess Kälberserum verwendet wurde.

Eine Grafik erklärt, wie kultiviertes Fleisch entsteht
Der Weg von der Zelle zum Stück Fleisch. © zVg Mirai Foods
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