Marilen Zosso: «In Sachen Food Waste gibt es noch sehr viel zu tun»

Wer kennt es nicht: unter der Woche geht man doch einmal mehr auswärts essen als gedacht oder isst bei Freunden und die Lebensmittel im Kühlschrank bleiben liegen. Damit sie nicht früher oder später im Abfall landen, gibt es Madame Frigo: In den öffentlichen Kühlschränken können geniessbare Lebensmittel gespendet werden. Im Gespräch mit Geschäftsführerin Marilen Zosso erfahren wir, wie gut das Angebot in der Schweiz ankommt und wie viele Lebensmittel Madame Frigo jährlich rettet.

Zwei Frauen schneiden eine Schleife um einen öffentlichen Kühlschrank durch
Die gelben Kühlschränke von Madame Frigo stehen in der ganzen Schweiz. © zVg Magame Frigo

Du hast nach einem langen Tag lieber Essen bestellt als zu kochen, der Kühlschrank ist aber noch gut gefüllt? Anstatt Lebensmittel, die noch geniessbar sind, mit schlechtem Gewissen zu entsorgen, kannst du sie zu Madame Frigo bringen! Die öffentlichen Kühlschränke stehen allen zur kostenlosen Nutzung zur Verfügung, damit Lebensmittel gegessen statt weggeworfen werden. Das Konzept ist so einfach wie genial. Wir wollen von Geschäftsleiterin Marilen Zosso wissen, wie es bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommt.

Was darf alles in die gelben Kühlschränke gestellt werden?

Grundsätzlich können Obst, Gemüse, Brot und verschlossene Produkte in die Kühlschränke gestellt werden. Auch Produkte, die das Mindesthaltbarkeitsdatum, nicht aber das Verbrauchsdatum erreicht haben, dürfen in den Frigo. Nicht in unsere Kühlschränke gehören Fleisch, Fisch, alkoholische Getränke und (zuhause) gekochte Lebensmittel. Es gibt jedoch kantonale Unterschiede. In Luzern etwa darf die Mensa der HSLU übrig gebliebene Menüs in den Frigo stellen, dafür sind die Hygienekontrollen erhöht.

Jeder Kühlschrank steht in einem Häuschen. Alle gekühlten Produkte gehören in die von Electrolux zur Verfügung gestellten Kühlschränke. Für Produkte, die nicht gekühlt werden müssen, gibt es ausserdem ein separates Tablar und eine Brotbox. An jedem Kühlschrank ist unser Reglement angebracht, das die Regeln erklärt und an die Eigenverantwortung der Nutzer*innen appelliert. Nimmt man etwas aus dem Frigo, nutzt man am besten die eigenen Sinne, um die Qualität kurz zu prüfen.

Im Gespräch: Marilen Zosso

Marilen Zosso von Madame Frigo
© zVg Marilen Zosso

Marilen Zosso ist seit zwei Jahren bei Madame Frigo angestellt und übernahm letztes Jahr die Geschäftsleitung. Auf die Frage, was sie an ihrer Arbeit liebt, antwortet sie: «Dass wir die Sensiblisierungsarbeit für die Food Waste Problematik in der Schweiz mit einem konkreten, einfachen und praktischen Lösungsansatz verbinden können.»

Landet oft auch Unbrauchbares in den Kühlschränken?

Im Grossen und Ganzen werden fast alle Lebensmittel, die in einem unserer Frigos landen, auch konsumiert. Es lohnt sich nicht, für etwas «Unbrauchbares» extra zu einem Frigo zu gehen. Und wenn wirklich mal etwas in den Kühlschrank gelegt wird, das nicht hineingehört, nehmen es unsere Helfer*innen bei einer der regelmässigen Kontrollen heraus.

Es gab es auch schon, dass etwa Bücher oder Kleider deponiert wurden. Es ist zwar super, wenn man solche Dinge weitergeben möchte, aus hygienischen Gründen sollte man dies aber in ein Brocki oder einen Tauschschrank bringen.

Tipp: Hier findest du die besten Tauschbörsen der Schweiz (für alles, was nicht in die öffentlichen Kühlschränke von Madame Frigo gehört).

Wie gut wird das Angebot der öffentlichen Kühlschränke angenommen?

Sehr gut! Nicht nur Privatpersonen, sondern vermehrt auch Institutionen, Unternehmen und Gemeinden interessieren sich dafür, einen Madame Frigo aufzustellen. Auch die vielen freiwilligen Helfer*innen, die sich um unsere Kühlschränke kümmern, berichten oft von einer guten Nutzung der Kühlschränke, aber auch von spannenden Gesprächen, die bei den Frigos entstehen. Zudem erhalten wir immer wieder dankbare Nachrichten von Nutzer*innen der Frigos.

Wir haben auch schon die Rückmeldung erhalten, dass die Kühlschränke öfters leer sind. Doch der Blick in den Frigo ist nur eine Momentaufnahme und kann täuschen. Die Kühlschränke sind für alle jederzeit kostenlos zugänglich und die Nutzung wird nicht systematisch erhoben. Bei einer durchgeführten Studie konnten wir herausfinden, dass Produkte oft nicht länger als ein paar Stunden im Frigo liegen. Deshalb werden fast nie Produkte weggeschmissen.

Wie viel Food Waste kann dank der Kühlschränke jedes Jahr verhindert werden?

Im letzten Jahr konnten über das Kühlschranknetzwerk gemäss Schätzungen rund 150 Tonnen Lebensmittel gerettet werden. Aktuell gibt es schweizweit bereits über 100 Kühlschrankstandorte. Da wir laufend Anfragen für neue Standorte erhalten, können wir auch jedes Jahr mehr Lebensmittel retten. Die Lebensmittel im Frigo stammen einerseits von Privatpersonen, es gibt aber auch viele Freiwillige die zusätzlich Food-Abholungen bei Lebensmittelläden und Bäckereien machen. So können noch mehr Lebensmittel gerettet werden. Aber in Sachen Food Waste gibt es noch sehr viel zu tun: In der Schweiz verursachen wir immer noch 2.8 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle im Jahr und fast ein Drittel davon passiert bei uns zuhause.

In welcher Stadt wird das Angebot am besten angenommen?

Das kann ich nicht pauschal beantworten. Was ich jedoch sagen kann: Unser erster öffentlicher Kühlschrank wurde vor mehr als 7 Jahren in Bern eröffnet und bis heute stehen in der Stadt und im Kanton Bern prozentual die meisten Frigos. Dies hängt aber vor allem damit zusammen, dass Madame Frigo hier in den letzten Jahren eine hohe Bekanntheit erreichen konnte. Grundsätzlich machen wir die Erfahrung, dass die Kühlschränke überall gut angenommen werden, sei es in der Stadt oder auf dem Land. Und wir erhalten mittlerweile aus allen Landesteilen Anfragen für neue Standorte.

Madame Frigo

Als gemeinnütziger Verein setzt sich Madame Frigo für die Reduktion von Food Waste ein. Hierzu stehen in der ganzen Schweiz bereits über 100 öffentlich zugängliche Kühlschränke, in die du essbare Lebensmittel wie Gemüse, Brot und verschlossene Produkte hineinlegen oder herausnehmen darfst. Aufgestellt und kontrolliert werden die Kühlschränke von freiwilligen Helferinnen und Helfern. Mehr über die gelben Kühlschränke erfährst du auf madamefrigo.ch.

  • 4
  • 0
Kommentieren / Frage stellen