Welche Wasserkraftwerke liefern wirklich Ökostrom?

Schweizer Wasserkraftwerke haben eine gute Ökobilanz und produzieren emissionsfreie Energie. Doch nicht jedes Wasserkraftwerk liefert automatisch Ökostrom. Wie können Verbraucher sicher gehen, dass sie Ökostrom abonniert haben?

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Wasserkraftwerke in der Schweiz liefern Erneuerbare Energie, doch nicht immer ist die Wasserkraft auch nachhaltig. Foto: SerrNovik / iStock / Thinkstockphotos

Volle Wasserkraft voraus? Mit Blick auf den steigenden Schweizer Strombedarf gäbe es ein klares «ja». Doch Wasserkraftwerke haben stets Auswirkungen auf die Natur und zerstören auch Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Deshalb ist Strom aus Wasserkraftwerken nicht automatisch umweltfreundlich - trotz guter Ökobilanz. Künftig ist der Ausbau Erneuerbarer Energien geplant, was in der Schweiz mit der Erweiterung von Wasserkraftwerken gleichzusetzen ist.

Fakten: Wasserkraft in der Schweiz

Die Schweiz nutzt bereits heute 95 Prozent der erschliessbaren Gewässer. 556 Wasserkraftwerke erzeugen knapp 36 000 Gigawattstunden Strom, die knapp 60 Prozent des einheimischen Strombedarfs decken. Doch welche Wasserkraftwerke sind wirklich nachhaltig?

Speicherkraftwerke produzieren weniger umweltfreundliche Wasserkraft

Die Schweizer Speicherkraftwerke nutzen Höhenunterschiede und rund 160 Speicherseen in den Alpen und Voralpen, um Wasserenergie zu erzeugen. Für die künstlich angelegten Stauseen werden Landstriche überschwemmt und der Lebensraum für Flora, Fauna und Mensch zerstört. Um der hohen Stromnachfrage nachzukommen, greift das Speicherkraftwerk auf den Schwallbetrieb zurück. Dabei fließt mehr Wasser als gewöhnlich durch die Turbinen und überflutet die nahen Gewässer. Benötigen die Schweizer weniger Strom, dann wird das Wasser gestaut. Deshalb trocknen die Flüsse teilweise aus, was auch als Sunk bekannt ist. Das stete Hin und Her schädigt die Gewässer und führt langfristig zum Aussterben vieler Arten. Fazit: Für die Schweiz liefern Speicherkraftwerke die größten Mengen an Wasserenergie, dennoch sind sie nicht unbedingt umweltfreundlich.

Laufwasserkraftwerke: fliesst Wasser, fliesst auch Strom

Ein Laufwasserkraftwerk funktioniert zwar anders, hat aber ähnliche Folgen für die Umwelt. Die Strömung treibt die Turbinen an und liefert je nach Wasserführung mehr oder weniger Strom. Turbinen sind für Fische oft lebensgefährliche Hindernisse. Deshalb sollen so genannte Fischtreppen beim «Wandern» helfen. Zu wenig Restwasser im Flussbett erschwert das Fortkommen. Für Fische endet hier oftmals die Reise. Fazit: Der Bau eines Laufwasserkraftwerkes verändert maßgeblich die Umwelt und ist als nicht nachhaltig einzustufen.

Pumpspeicherkraftwerke sind Stromfresser

Pumpspeicherkraftwerke bestehen aus einem höher und einem tiefer gelegenen Staubecken. Wird wenig Strom nachgefragt, dann wird das Wasser in das obere Becken gepumpt. Die Energie liefern oftmals Atom- und Kohlekraftwerke. Laut Schweizerische Energie-Stiftung sollen Pumpspeicherkraftwerke mehr Strom benötigen als sie produzieren: Um 40 Pumpspeicherkraftwerke zu betreiben, ist die jährliche Stromproduktion vom Atomkraftwerk Mühleberg nötig. Fazit: Pumpspeicherkraftwerke sind nicht umweltschonend, denn sie sparen kein CO2 ein, sondern erzeugen zusätzliche Emissionen und Atommüll.

Was wird gegen die Umweltschäden unternommen?

Inzwischen sollen bauliche Massnahmen oder Regelungen wie die Restwasservorschrift den Umweltschäden entgegensteuern. Sie besagt, dass ausreichend Wassermengen nach der Entnahme verbleiben, doch setzen viele Kantone die Regelung nur mangelhaft um (WWF). Ein neues Gewässernutzungsgesetz erzwingt, dass begradigte Flüsse in einen möglichst naturnahen Zustand zurückversetzt werden. Zudem versuchen Umweltverbände die letzten frei fliessenden Gewässer zu schützen und protestieren gegen den Bau neuer Wasserkraftwerke in diesen Gebieten.

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Kleinwasserkraftwerke werden gefördert um Strom aus erneuerbaren Energiequellen beziehen zu können. Foto: belskar / iStock / Thinkstock

Einen umweltverträglichen Kompromiss stellen Kleinkraftwerke dar. Sie haben eine Leistung von bis zu zehn Megawatt, worin sich ein großes Potenzial versteckt. Gab es vor hundert Jahren noch 7000 Anlagen, ist deren heutige Zahl auf 1000 geschrumpft. Seit der Einführung der Einspeisevergütung kommt es nun zu einer Wiederbelebung alter Anlagen. Darüber hinaus sind auch neue Projekte geplant. Umweltverbände sehen diese Pläne teils kritisch, da die Kleinkraftwerke auch in naturnahen Schutzgebieten gebaut werden sollen. Eine WWF-Studie belegt, dass nicht jeder Tropfen der Schweizer Wasserkraft genutzt werden muss, um eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Trotz dieser Kritik schätzen Umweltverbände diese Art der Stromgewinnung als ökologisch sinnvoll ein.

Zwei Anwendungen versprechen echten Ökostrom: Trinkwasser- und Abwasserkraftwerke

Aus dem Gefälle von Trink- und Abwasserleitungen lässt sich Strom gewinnen. Bisher verpuffte die Energie in den Druckreduzierventilen. Nun wandeln Turbinen den Druck in Strom um. Würde die Schweizer Wasserversorgung mit dieser findigen Idee ausgestattet, könnte sie etwa ein Drittel der jährlichen Stromproduktion des Atomkraftwerks Mühleberg ersetzen (Schweizer Energie-Stiftung).

Das etwas andere Wasserkraftwerk

Eine weitere Neuentwicklung ist das Wasserwirbelkraftwerk. Dabei wird das Wasser in ein Becken geleitet. Über einem Abfluss entsteht ein Wasserwirbel, der eine Turbine antreibt. Bisher fehlen Studien, die belegen, ob Fischwanderungen problemlos möglich sind. Zudem befürchten Umweltschützer, dass die bisher ungenutzten flachen Fliessgewässer mit Wasserwirbelkraftwerken verbaut werden. Fazit: Der Bach wird baulich verändert und in das Ökosystem eingegriffen. Es muss sich erst zeigen, wie umweltfreundlich Wasserwirbelkraftwerke sind.

Michael Casanova, Projektleiter Gewässerschutz- und Energiepolitik bei Pro Natura, erklärt: «Es gibt aber gravierende Unterschiede zwischen Erneuerbarer Energie und wirklich ökologisch gewonnenem Strom. Für wirklichen Ökostrom muss auch die Naturverträglichkeit gegeben sein.» Als extremes Beispiel führt er den Bau des chinesischen Drei-Schluchtendamm am Jangtsekiang an. Zwar werde Erneuerbare Energie aus Wasserkraft gewonnen, doch verursache das Projekt nicht zu kompensierende Zerstörungen in der Natur, Umwelt und auch in der Gesellschaft. Blickt man nun wieder in die Schweiz, bei welchen Anbietern können Verbraucher den echten Ökostrom einkaufen?

Ökostrom: Label garantiert umweltfreundliche Wasserkraft

Umweltschutz beginnt zu Hause. Verbraucher sollten deshalb bei der Wahl des Stromanbieters auf das Ökostromlabel achten. Dazu meint Michael Casanova von Pro Natura: «Wer in der Schweiz einen Beitrag für Ökostrom leisten will, sollte beim Strombezug das Label «naturemade star» berücksichtigen, welches unter anderem Wasserkraftwerke und Produkte bezeichnet, die hohe ökologische Anforderungen erfüllen.» So sind beispielsweise Fischtreppen und eine naturnahe Ufergestaltung wichtige Kriterien für das Stromlabel «naturemade star», was im internationalen Vergleich sehr gut abschnitt. Wer ein gelabeltes Stromprodukt abonniert, unterstützt damit den Ausbau Erneuerbarer Energien und fördert auch den Bau weiterer umweltfreundlicher Kraftwerke. Wer zu echten Ökostrom wechseln möchte, kann sich über Topten.ch (www.topten.ch) über die besten Schweizer Angebote informieren.

Weiterführende Links

  • Schweizerische Energie-Stiftung - Die Stiftung, die kompetent über den Energiebereich informiert.
  • Pro Natura - der Verein, der sich für die Belange der Schweizer Natur einsetzt.
  • «naturemade star» ist das Qualitätszeichen für ökologisch produzierte Energie und Energie aus erneuerbaren Quellen.

 

 

Quellen: BAFU, Schweizerische Energie-Stiftung, Pro Natura, WWF, VuE, BFE

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