Wasserkraftwerke in der Schweiz erfahren ein Revival

Wegen der vielen Flüsse und Seen gilt die Schweiz als Wasserschloss Europas. Kein Wunder, dass die Wasserkraftwerke in der Schweiz mehr als die Hälfte der einheimischen Stromproduktion abdecken. In Zukunft soll der Anteil noch höher werden.

Wasserkraftwerke wandeln Wasserkraft in Strom um.
Wasserkraft als erneuerbare Energie soll in der Schweiz in Zukunft weiter gefördert werden. Foto: © ron sumners / iStock / Thinkstock

Seit dem Entscheid der Schweizer Politiker, bis ins Jahr 2034 aus der Atomenergie auszusteigen, wird die Förderung erneuerbarer Energien stark diskutiert. Der Bundesrat möchte vermehrt in die Wasserenergie investieren und besinnt sich dabei auf frühere Zeiten. Denn Strom aus Wasserkraft zu gewinnen hat in der Schweiz Tradition. Ende der 70er Jahre stammte fast 90 Prozent der inländischen Stromproduktion aus Wasserkraftwerken.

Viele Vorteile sprechen für die Wasserkraft als Stromproduzent, wobei die Bewegungs-Energie des fliessenden Wassers in elektrische Energie (Strom) umgewandelt wird. Strom aus Wasserkraft ist eine einheimische, natürliche und weitgehend emissionsfreie Energiequelle, die sich selbst erneuert. Gegenüber den erneuerbaren Energiequellen wie Sonne und Wind hat die Wasserkraft den Pluspunkt, steuerbar zu sein und konstant Strom ins Netz speisen zu können. Wie viel Strom eine Solar- oder Windkraftanlage ins Netz liefert, hängt dagegen vom Wetter ab und ist nicht vorhersehbar.

Verschiedene Arten von Wasserkraftwerken

Insgesamt gibt es in der Schweiz rund 556 solcher Kraftwerke. Bei der jährlichen Stromproduktion teilen sich die Laufwasser- und Speicherkraftwerke den höchsten Anteil. Laufwasserkraftwerke nutzen die Strömung eines Flusses oder Kanals zur Stromerzeugung. Die Fallhöhe des Wassers ist dabei nicht sehr hoch, dafür fliesst eine grosse Wassermenge durch die Turbinen (Laufräder mit Schaufeln). Die laufenden Turbinen sind mit einem Generator verbunden, einer elektrischen Maschine, welche die Bewegungsenergie in elektrische Energie (Strom) umwandelt. Solange der Fluss fliesst, fliesst auch der Strom. Die erzeugte Energie schwankt jedoch mit der Wasserführung des Flusses. Diese ist in der Regel im Sommer höher als im Winter.

Bei Speicherkraftwerken wird Wasser eines Flusses zu einem Stausee aufgestaut. Im Gegensatz zu Laufwasserkraftwerken wird das zufließende Wasser nicht umgehend in Strom umgewandelt. In Zeiten geringen Strombedarfs sammelt sich das Wasser im Speicherbecken an, um dann in Zeiten grossen Strombedarfs genutzt zu werden. Dabei stürzt das Wasser aus 25 bis 2000 Metern Höhe in die Tiefe und bringt dort die Turbinen zum drehen.

Pumpspeicherkraftwerke haben bis anhin einen kleinen Anteil an der jährlichen Stromproduktion (4%). Angesichts des geplanten Atomausstiegs möchte der Bund in Zukunft vor allem in den Aus- und Zubau dieser Stromlieferanten investieren. Pumpspeicherkraftwerke pumpen bei geringem Strombedarf das Wasser mittels elektrischer Pumpen ins höher gelegene Speicherbecken zurück. Wenn im Tagesverlauf die Stromnachfrage steigt (vor allem über Mittag), verwendet man das hochgepumpte Wasser zur Stromerzeugung. Ähnlich wie beim Speicherkraftwerk wird über eine grosse Fallhöhe des Wassers Bewegungsenergie generiert, welche die Turbinen zum Laufen bringt.

Kleinwasserkraftwerke sollen erneut in Kraft treten.

Stillstehende Kleinwasserkraftwerke sind zu reaktivieren. Foto: © leungchopan / iStock / Thinkstock

Das Aktionsprogramm des Bundes zur Förderung erneuerbarer Energien will nicht nur Pumpspeicherkraftwerke fördern, sondern verhilft auch Kleinwasserkraftwerken zu einem Revival. Vor hundert Jahren waren in der Schweiz noch rund 7.000 Kleinwasserkraftwerke registriert. Diese Zahl ist bis heute auf 1'000 Anlagen geschrumpft. Durch Modernisierung und Reaktivierung bestehender Anlagen oder durch vereinzelte Neubauten soll diese Wasserkraftnutzung wieder ausgebaut werden. Kleinwasserkraftwerke funktionieren nach demselben Prinzip wie große. Im Vergleich zu Wasserkraftwerken haben Kleinwasserkraftwerke jedoch ein geringeres Leistungsvermögen. Die meisten Anlagen stehen dann auch an kleinen Flüssen und verfügen über keinen Speichersee, sondern über Wasserbecken in unterschiedlicher Größe und Bauart.

Die kleinste Form eines Kleinwasserkraftwerks ist zurzeit das Wasserwirbelkraftwerk. Dabei befindet sich ein Becken mit einem zentralen Abfluss in einem Fluss oder Bach. Über dem Abfluss bildet sich automatisch ein Wasserwirbel, der einen speziell geformten Wirbelrotor antreibt. Die Drehkraft des Rotors generiert dann Strom. Mehr Informationen über die Funktionsweise von Wasserwirbelkraftwerken und deren Einsatz in der Schweiz finden Sie im Artikel «Strom aus Wasserkraft: Die Schweizer Energie wird nachhaltiger».

Kritik am Öko-Label von Wasserkraftwerken in der Schweiz

Der Entscheid des Bundes, die Wasserkraft zu fördern, löst nicht überall Begeisterung aus. Vor allem Umweltverbände kritisieren die negativen Auswirkungen von Wasserkraftwerken auf die Pflanzen- und Tierwelt in und rund um die Seen und Flüsse der Schweiz. Dabei variieren die Umweltbelastungen je nach Bauweise und Standort. Vor allem Speicherkraftwerke, welche die Überflutung eines mehrere Quadratkilometer großen Geländes mit sich bringen und Kleinkraftwasserwerke (mit einer Leistung unter 10‘000 KW), die in ökologisch heiklen Zonen gebaut werden, stehen unter Kritik. Aus Wasserkraft generierter Strom gilt dann auch nicht a priori als Ökostrom. Deswegen fordern Umweltverbände, dass bei der Förderung der Wasserkraft Rücksicht auf die Biodiversität sowie den Gewässer- und Landschaftsschutz genommen wird.

Dafür sorgt das vor kurzem in Kraft getretene Gewässerschutzgesetz. Darin wird beispielsweise festgehalten, dass Wasserkraftwerke so gebaut oder erneuert werden müssen, dass der Schwall-Sunk-Betrieb gemindert wird. Damit ist der täglich schwankende Wasserstand unterhalb von Kraftwerkzentralen durch das tägliche Aufstauen und Umleiten von Wasser gemeint. Über Mittag, wenn die Nachfrage nach Strom hoch ist, wird folglich viel Strom produziert und mehr Wasser fliesst durch die Turbinen in die darunter liegenden Gewässer. Durch den Schwall-Effekt werden Lebewesen fortgespült. Bei geringer Nachfrage produzieren die Speicherkraftwerke nur wenig Strom und halten viel Wasser zurück. Dadurch sinkt der Abfluss auf ein Niveau, das oft unter dem minimalen natürlichen Wasserstand liegt. Bei «Sunk» drohen Tiere und Pflanzen auszutrocknen.

Neben dem Problem der künstlichen Wasserschwankungen behindern Wasserkraftwerke die Fischwanderung flussaufwärts. Das neue Gesetz sieht nun vor, dass Fischtreppen und Umgehungsgewässer bei neuen Anlagen mit eingeplant und bei bestehenden Anlagen neu hergestellt werden müssen. Diese baulichen Vorrichtungen ermöglichen dann den Fischen die Überwindung der Wasserkraftwerke. Mit diesen Massnahmen sollen in naher Zukunft umweltfreundliche Wasserkraftwerke gewährleistet werden, welche Ökostrom generieren.

 

Wasserkraftwerke in der Schweiz:

  • Die Wasserkraft wird im Rahmen des geplanten Atomausstiegs bis ins Jahr 2034 und der Förderung erneuerbarer Energien vom Bund gefördert.
  • Die Investitionen konzentrieren sich auf Pumpspeicherkraftwerke und Kleinwasserkraftwerke.
  • Wasserenergie generiert nicht a priori Ökostrom. Wasserkraftwerke können negative Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt in und um die Gewässer haben.
  • Das neue Gewässerschutzgesetz schreibt Baumassnahmen vor um die Umweltfreundlichkeit von Wasserkraftwerken zu gewährleisten.

 

 

 

Quellen: bafu.ch, energiestiftung.ch, wwf.ch, wikipedia.org, Text: Lea Schwer

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