«Es gibt für alles eine nachhaltige Lösung!»

Louis Palmer setzt sich mit ausgefallenen Projekten für den Klimaschutz ein. Mit einem Solar-Auto reiste er um die Welt und organisiert Rennen mit Elektro-Fahrzeugen. Im Interview mit nachhaltigleben.ch erklärt er, warum eine nachhaltige Gesellschaft auf nichts verzichten muss.

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Louis Palmer fuhr mit seinem Solar-Auto rund um die Welt, Fotoquelle: solartaxi.com
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Bereits als Bub träumte Louis Palmer davon, um die Welt zu reisen ohne dabei die Umwelt zu belasten. Als es dann aber zwanzig Jahre später immer noch kein mit erneuerbaren Energien angetriebenes Fahrzeug zu kaufen gab, wurde Palmer selbst aktiv. 2004 begann der Luzerner Lehrer zusammen mit vier Schweizer Universitäten, verschiedenen Sponsoren und über 200 Mithelfern ein Solar-Auto zu entwickeln. Drei Jahre später brach Palmer auf, seinen Kindheitstraum zu verwirklichen. Vor dem Start zu seiner Weltreise verkündete Palmer auf der Internetseite solartaxi.com seine Mission: «Am 3. Juli 2007 starte ich zur ersten Reise rund um die Erde mit einem solarbetriebenen Fahrzeug. Ich als normaler Bürger kann die Welt zwar nicht verändern, aber ich kann damit der Welt aufzeigen, wie schlecht es um das globale Klima wirklich steht und wie viele ausgereifte Lösungen zur Senkung von Treibhausgasen es ja schon gibt.» Mit seinem Solar-Taxi legte er in 18 Monaten 54'000 km zurück, durchquerte 38 Länder und chauffierte Politiker, Nobelpreisträger und Schauspieler von einem Ort zum andern. Am meisten beeindruckte den Schweizer Abenteurer die Taxi-Fahrt in New York. Dort war Ban Ki Moon, der UNO-Generalsekretär, Gast im Solar-Taxi Palmers und wurde von seinem Privathaus quer durch Manhattan bis zum UNO-Hauptquartier chauffiert.

Kurz nach seiner Heimkehr von der Weltreise realisierte Palmer dann im Jahr 2009 bereits wieder ein neues Projekt, das «Zero Emissions Race». Teams aus aller Welt nahmen am Wettrennen teil und fuhren in 80 Tagen klimaneutral um die Erde. Die Energie für den Fahrzeug-Antrieb wurde dabei ausschliesslich aus umweltfreundlichen Quellen wie Sonne, Wind oder Erdwärme gewonnen.

Als Anerkennung für seinen unermüdlichen Einsatz, mit seinen Projekten globale Aufmerksamkeit für erneuerbare Energien und nachhaltige Transporte zu wecken, erhielt Palmer 2010 den UNO-Umweltpreis «Champions of the Earth»-Award in der Kategorie Innovation und Aktion.

Im Interview mit nachhaltigleben.ch spricht Louis Palmer über seine Motivation, sich für eine nachhaltige Gesellschaft einzusetzen und darüber, dass eine nachhaltige Gesellschaft auf nichts verzichten muss, weil es für alles eine nachhaltige Lösung gibt.

Wer ist Ihr ökologisches Vorbild? Und was zeichnet dieses Vorbild für Sie aus?

Da kommt mir spontan Bernhard Grzimek in den Sinn, der sich für die Serengeti und aussterbende Tierarten eingesetzt hat. Schon als Kind bewunderte ich ihn.

Wie stark hat die in den letzten Jahren zunehmende Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit Ihr Leben verändert?

Die Auseinandersetzung findet bei mir statt, seitdem ich 11 Jahre alt bin. In der Schule hörte ich, dass es das Waldsterben und die globale Erwärmung gibt, und dass es in Zukunft auch Kriege ums Erdöl geben wird. Das war 1982. Seitdem setze ich mich damit auseinander.

Was motiviert Sie, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen?

Es gibt keinen Zweifel mehr: die Menschheit ist gerade daran, die eigene Lebensgrundlage zu zerstören. Ich will nicht mit 80 Jahren auf mein Leben zurückschauen und mir dann vorwerfen, dass ich nichts unternommen habe. Ich will mir selber sagen können, dass ich wenigstens versucht habe, etwas für eine nachhaltigere Welt zu unternehmen. Der Einsatz für sinnvolle Projekte macht mir übrigens auch jede Menge Spass. Zum Teil höllisch Spass.

Wie verhält sich Ihre Familie, wenn es um Nachhaltigkeit geht? Gibt es diesbezüglich Diskussionen am Familientisch?

Meine Lebenspartnerin ist Fachfrau für Nachhaltigkeit. Für uns beide ist Nachhaltigkeit das normalste der Welt. Da gibt es keine oder kaum Diskussionen, da wir derselben Ansicht sind. Für meine Lebenspartnerin ist aber zum Beispiel die Abfalltrennung wichtiger als für mich. (lacht)

Für welche persönliche Öko-Sünde schämen Sie sich am meisten? Und warum begehen Sie diese trotzdem?

Dass ich ziemlich oft ins Flugzeug steige und somit eine schädliche Industrie unterstütze. Aber um Leute weltweit zu erreichen und für Lösungen zur Rettung unseres Planeten zu sensibilisieren, nehme ich dies in Kauf. Natürlich hoffe ich, dass unter dem Strich dann weniger Abgase entstehen, weil durch meine Arbeit Verhaltensänderungen eintreten.

Angenommen, eine nachhaltigere Gesellschaft wäre nur mit persönlichem Verzicht machbar. Auf was würden Sie verzichten?

Ich glaube nicht, dass wir auf irgendetwas verzichten müssen. Für alles haben wir auch eine nachhaltige Lösung, mit der wir Geld sparen können und die viel Prestige hergeben. Ja, die Welt ist voller Lösungen.

Was für ein nachhaltiges Produkt oder welche nachhaltige Dienstleistung würden Sie sich wünschen?

Ein Solarauto, das sich jeder leisten kann und das mit gratis Energie betrieben wird. Zudem wünsch ich mir eine Firma, die mit «ausgesteuerten» Arbeitern Strohhäuser (die keine Heizung brauchen) erstellt.

Was wäre Ihr dringendster Wunsch an die Politik zur Förderung einer nachhaltigeren Gesellschaft?

Ganz allgemein: Mehr Mut, mehr Selbstvertrauen, mehr langfristiges Denken, mehr Leadership. Zum Beispiel: Wir brauchen Solarstrom und geothermische Kraftwerke. Wir brauchen Passiv- und Aktivhäuser aus rezyklierten und kompostierbaren Materialien. Wir brauchen sinnvolle Arbeitseinsätze für eine bessere Welt und für Menschen, die aus dem Arbeitsleben ausgesteuert worden sind, weil sie in ihrem Tun keinen Sinn mehr sehen. Und, und, und…es gibt hier noch unzählige Ideen, die ich aufzählen könnte.

Was planen Sie persönlich in den nächsten 2 Jahren, um eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen?

Ich will ein Haus bauen aus rezykliertem Material und Kurse über Nachhaltigkeit anbieten. Und ich will möglichst viele solarbetriebene Elektroautos auf Tourneen durch diverse Länder einladen, um die Öffentlichkeit weiter zu sensibilisieren. Und ich will weiterhin meine Vorträge halten. Nächsten Monat leite ich übrigens eine Gruppe mit fünf Elektroautos durch Indien. Ich hoffe, damit 10 Millionen Menschen zu inspirieren.

Worin sehen Sie in den kommenden Jahren die grössten Herausforderungen für eine nachhaltige Entwicklung?

Ich fürchte, dass wegen der weltweiten Schuldenkrise die nachhaltige Entwicklung ins Stocken gerät. Die Ursache für unsere Finanzkrise, wie auch für die Zerstörung unseres Planeten, sind die gleichen: Wir leben auf Kosten der zukünftigen Generationen. Doch jede Krise bringt die Menschheit auch näher zu deren Ursachen. Vielleicht werden wir uns nun auf andere Werte besinnen. In jeder Schwierigkeit liegt auch eine Chance.

Nachhaltige Lösungen haben oft ästhetische Beeinträchtigungen zur Folge, wie zum Beispiel Solarzellen im historischen Stadtbild. Wo sollte man die Grenze ziehen?

Ziegel auf Hausdächern gibt es schon seit Tausenden von Jahren –sehen die nicht auch scheusslich aus? Nur haben wir uns daran gewöhnt. Wollen wir aus ästhetischen Gründen etwas Uraltes verteidigen, statt neue Technologien zuzulassen? Im Fall der Kapellbrücke beispielsweise verstehe ich das. Aber auf allen anderen Gebäude, die kein grosser «Hingucker» sind, kann man Solaranlagen installieren. Das hat was Schönes. Das ist cool. Und wird schon sehr bald sehr normal sein.

Wem würden Sie selbst die letzten 11 Fragen gern stellen? Und warum?

Den aussterbenden Tierarten. Wenn die nur reden könnten…

 

Quellen : solartaxi.com, louispalmer.ch, spiegel.de, Interview: Lea Schwer

 

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