«Die Medizin für unsere kranke Welt wäre vorhanden»

Tüftler, Träumer, Abenteurer – Louis Palmer. Im Interview erklärt der Luzerner Solarpionier, weshalb er den grossen Hebel in der Bildung sieht und was wir alle für den Kampf gegen den Klimawandel tun können. 

Louis Palmer und vier seiner Teamkollegen posieren in der Abendsonne vor dem SolarButterfly und haben Spass
Louis Palmer (links) und seine Teamkollegen haben sichtlich Spass an ihrem Schmetterling. © SolarButterfly

Vor rund 20 Jahren interessierte sich noch kaum jemand für die Klimakrise. So beschloss Louis Palmer kurzerhand, selbst aktiv zu werden und fuhr als erster Mensch mit Solarkraft um die Erde. Seine Botschaft: Die Lösungen sind da, wir müssen sie nur nutzen. Mittlerweile hat er mit dem SolarButterfly ein neues, noch grösseres Projekt gestartet, seine Mission ist aber dieselbe geblieben.

Der SolarButterfly

Der SolarButterfly von vorne – angemalt wie ein Schmetterling mit Gesicht
Der SolarButterfly hat in seinen Testmonaten schon fast ganz Europa besucht. © SolarButterfly

Ein Wohnwagen, der seine Solarpanel-Flügel ausklappen kann und so den Strom für das ziehende Auto liefert – vor rund einem Jahr startete dieses geniale Konstrukt seine Weltreise durch insgesamt 90 Länder (wir berichteten). Auf der vierjährigen Tour will das Team von Louis Palmer 1’000 Vorzeigeprojekte portraitieren, die ein innovatives Projekt umgesetzt haben, welches uns weiter bringt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Im Herbst 2025 – just 10 Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen – werden die Projekte an der Klimakonferenz in Brasilien vorgestellt.

Herr Palmer, denken Sie, die Menschheit verfügt über genügend Pioniergeist für die Energiewende?

Absolut! Die Welt ist voller kreativer Geister und Ideen. Zudem sind viele pionierhafte Ideen günstiger umzusetzen als bislang mit fossilen Treibstoffen. Da stecken viele tolle Geschäftsideen dahinter. Nur werden sie immer noch zu oft ignoriert und es fehlt oft an Anschubfinanzierung und/oder allgemeiner Aufmerksamkeit. Man könnte auch sagen, die Welt ist krank und die Medizin wäre vorhanden. Doch die Welt weigert sich immer noch, die richtige Dosis der Medizin einzunehmen.

Wo liegt Ihrer Meinung nach das Problem, weshalb wir zu langsam vorwärtskommen?

Das frage ich mich auch die ganze Zeit. Ein Krieg zum Beispiel kriegt unsere volle Aufmerksamkeit. Darunter können wir uns etwas vorstellen. Die Konsequenzen der globalen Erwärmung sind abstrakt und schwer vorstellbar und betreffen uns noch zu wenig. 

Der SolarButterfly in der Vogelperspektive - man sieht das ganze Ausmass seiner 80 Quadratmeter grossen Solarpanels
Mit seinen innovativen Projekten will Louis Palmer zeigen, was die Technik heute schon alles kann. © SolarButterfly

Grundsätzlich sehe ich das Problem im menschlichen Verhalten, das im Fall der globalen Erwärmung nicht besonders rational ist. Jeder einzelne hat die Wahl, Teil der Lösung oder Teil des Problems zu sein. Es wäre so einfach! Deshalb machen wir vor allem Sensibilisierung und Aufklärung. Denn nur das bringt unsere Gedanken und unser Handeln in Bewegung. Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern – das hat schon Nelson Mandela gesagt.

Wie stark müsste denn jeder und jede verzichten, damit wir mit der aktuellen Technik Netto-Null erreichen könnten?

Weltweit betrachtet darf jeder Mensch bis im Jahr 2035 im Schnitt nicht mehr als 2,7 Tonnen CO2 verursachen. Das ist das CO2-Budget jedes einzelnen Menschen. Momentan liegen wir Schweizer – wenn wir Flüge und die Produktion im Ausland der von uns konsumierten Güter miteinberechnen – bei 14 Tonnen. Wir gehören zu den Top-Verschmutzern und müssen unseren CO2-Ausstoss um 80 % reduzieren. Mit dem Umstieg auf neue Technologien – z.Bsp. neue Heizungen, erneuerbare Energien und E-Mobilität – ist sicher einiges umsetzbar, ohne auf unseren gewohnten Komfort verzichten zu müssen. Bei anderen Themen wie der Fliegerei (das macht 30 % des CO2-Ausstosses von Herrn und Frau Schweizer aus), da geht es nur mit Verzicht. Und auch beim Fleischkonsum. Generell weniger konsumieren würde dem Klima helfen – schliesslich kommen 21 % aller CO2-Emissionen weltweit aus Fabriken.

Halten Sie das weltweite Netto-Null-Ziel bis 2050 für realistisch?

Grundsätzlich natürlich schon! Ich sehe auch grosse Anstrengungen oder sagen wir mal Ankündigungen in der westlichen Welt. Wenn ich aber bedenke, wie viel bereits angekündigt wurde und dann auch umgesetzt wurde, dann ist es ernüchternd. Ich sehe aber auch, dass eine neue Generation Politiker an die Macht kommt und der Druck zum Wandel zunimmt. Prinzipiell halte ich diese Ziele für sehr realistisch. 

Louis Palmer und einer seiner Teamkollegen Frederic Michaud posieren vor dem SolarButterfly
Louis Palmer (links) und einer seiner Teamkollegen Frederic Michaud beim Halt des SolarButterflys in Küsnacht (ZH). © Redaktion

Wie gesagt – die Medikamente sind da. Und die sind nicht einmal bitter, sondern süss. Denn mit jedem Elektroauto und jeder Solarzelle kann man Geld sparen. Mit jedem Kilo Fleisch, das man weniger isst, lebt man gesünder und länger. Und vom Urlaub in Europa hat man auch mehr, als wenn man tagelang Jetlag hat. Ein Umdenken ist nötig. Dazu ist Bildung nötig. Ich staune, wie viele Erwachsene nach meinem Vortrag zu mir kommen und erzählen, wie viel sie noch gar nicht wussten. Der Wandel beginnt im Kopf.

Woher nehmen Sie die Motivation, immer weiterzumachen und für ein und dieselbe Sache zu kämpfen?

Ganz einfach: Es macht richtig Spass! Oder soll ich in einer Fabrik hocken und Seife produzieren? Die Frage ist, was man aus dem eigenen Leben machen will. Ob man Teil des Problems, oder Teil der Lösung und Vorreiter sein will.

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