Zürcher Start-up will aus der Luft gefiltertes CO2 im grossen Stil verkaufen
Der Plan des Zürcher Start-ups Climeworks klingt fast zu gut: Anlagen filtern tonnenweise CO2 aus der Luft, das die Firma verkauft. Wie das Projekt im Kampf gegen die Klimaerwärmung hilft und seine Grenzen.

Passender könnte der Zeitpunkt kaum gewählt sein: In der gleichen Woche, wie der Weltklimarat seinen alarmierenden Sonderbericht zur Erderwärmung veröffentlicht hat, meldet das Zürcher Start-up Climeworks seinen nächsten CO2-Coup.
Das Unternehmen will ab kommendem Jahr CO2 verkaufen, welches es aus der Luft filtert. «Wir offerieren Privaten, Unternehmen, Institutionen und Ländern weltweit eine Gelegenheit, vergangene, gegenwärtige oder sogar künftige Emissionen quasi zurückzuholen», sagt Christoph Gebald , Mitbegründer von Climeworks gegenüber dem Tagesanzeiger.
Bereits seit 2017 ist eine Anlage von Climeworks auf dem Dach der Abfallverwertungsanlage in Hinwil im Einsatz. Jährlich filtert sie 900 Tonnen CO2 aus der Luft.
Ein Landwirt aus der nahen Umgebung nutzt das CO2 in seinen Treibhäusern als Dünger.
Erfolg in Island
Nun verbucht das Unternehmen mit einer zweiten Anlage in Island, die seit einem Jahr in Betrieb ist, einen weiteren Erfolg. Die Technologie funktioniere und sei sicher, heisst es in einer Mitteilung der Firma.
Anders als bei der Anlage in Hinwil wird das gefilterte CO2 in den Untergrund geleitet, wo es mit dem Gestein zu einem ungefährlichen Mineral reagiert, was gerade für den Klimaschutz von grosser Bedeutung ist.
So funktioniert die Anlage: Ein Ventilator saugt die Aussenluft an. Diese wird durch einen Filter mit spezieller Beschichtung geführt. Die Oberfläche bindet rund die Hälfte des CO2. Mithilfe von Abwärme wird das Treibhausgas anschliessen aus dem Filter gelöst.
Grosse Hoffnung und viel Geld
Die Gründer von Climeworks sind nicht die einzigen, die an ihre Direct-Air-Capture-Technologie glauben. Investoren haben bereits über 50 Millionen Franken Kapital in das Spin-off der ETH Zürich gesteckt. Erst vor wenigen Wochen hat sich das Unternehmen weiter 30,5 Millionen Franken von Investoren beschaffen können.
Mit an Bord ist beispielsweise auch die ZKB als einziger institutioneller Investor.
Climeworks will bis 2025 ein Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus der Luft filtern, was jährlich 300 Millionen Tonnen CO2 entspricht. Mehrere Tausend bis Millionen Tonnen sollen es alleine im Isländischen Geothermiekraftwerk in Hellisheidi sein.
Ein Lüftchen im Hurrikan
Was nach der grossen Lösung im Kampf gegen die Erderwärmung klingt, ist eher ein Lüftchen in einem heftigen Hurrikan. Denn, so zeigt der aktuelle Sonderbericht des Klimarats, müssten künftig 100 bis 1000 Milliarden Tonnen CO2 aus der Luft gefiltert werden, um die Grenze von 1,5 Grad Erderwärmung nicht zu überschreiten.
Gegenüber dem Tagesanzeiger sagt ETH-Klimaforscher und Vize-Vorsteher des Weltklimarats, Andreas Fischlin: «1000 Milliarden Tonnen sind kaum zu erreichen.» Das Potenzial der direkten CO2-Filterung aus der Luft liegt bei 500 Millionen bis 10 Milliarden Tonnen pro Jahr, wie die Schweizer Akademie der Wissenschaften schätzt.
Viel Energie fürs CO2
Die Technologie von Climeworks braucht viel Energie für die Abscheidung und Speicherung von CO2. Stammt die Energie aus erneuerbaren Quellen, wie in Island, wo man dafür die natürliche Wärmeenergie nutzt, könnten solche Anlagen sicher einen wichtigen Beitrag leisten.
Allerdings können sich Unternehmen oder Staaten derzeit noch nicht via Climework von staatlichen oder internationalen CO2-Auflagen freikaufen. Denn die Technologie der CO2-Speicherung sei noch zu weniger Erprobt, heisst es, und es existieren bisher keine international anerkannten Standards.
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Autor: Sabina Galbiati, Oktober 2018