Die Herausforderung der Charakterisierung von Kulturlandschaften

Erhalt und Weiterentwicklung von Landschaften setzen sich mit Fragen auseinander wie: Was ist das Wertvolle, das Charakteristische einer Landschaft? Lesen Sie hier, was sich am Workshop «Wie kann man Landschaften bewerten? Herausforderungen der Charakterisierung von Kulturlandschaften» ergeben hat.

Auch das Publikum brachte sich an den Workshops aktiv ein.
Auch das Publikum brachte sich an den Workshops aktiv ein. Foto: © natur.ch

Im Rahmen des Workshops wurden unterschiedliche Zugänge der Charakterisierung von Kulturlandschaften und zur Erfassung von Landschaftsqualitäten vorgestellt sowie deren Potential bei der planerischen Festlegung von Landschaftsqualitätszielen diskutiert.

Die Leitfragen des Workshops waren:

  • Welche Qualitäten haben Landschaften und wie können diese erfasst werden?
  • Wie können Landschaftsqualitäten / landschaftliche Werte kommuniziert werden?
  • Wie könnten praxistaugliche Zugänge zum Umgang mit Landschaften im Spannungsfeld verschiedener Nutzungsansprüche aussehen?

In ihrem Beitrag «Charakterisierung von Kulturlandschaften – ein Beitrag zur Erfassung von Landschaftsqualitäten» stellten Karina Liechti und Yves Schwyzer von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz einen Katalog von 30 schweizerischen Kulturlandschaften vor. Dabei waren sowohl eher traditionelle Landschaften wie Wytweidelandschaften, aber auch erst später entstandene Landschaften, wie grossflächige Agrarlandschaften oder Energielandschaften. Sie zeigten auf, welche Landschaftsqualitäten diesen Landschaften zugewiesen werden und wie Landschaftspotentiale davon abgeleitet werden können. Der Katalog kann dazu beitragen, Landschaftsanliegen in den raumwirksamen Sektoralpolitiken vermehrt einzubringen, Amtsstellen in den Bereichen Natur und Landschaft, Raumplanung sowie Landwirtschaft bei der Lancierung von Landschaftsaufwertungsprojekten oder beim Schutz von Kulturlandschaften unterstützen und die mit der Pflege und dem Erhalt der Kulturlandschaft einhergehenden Leistungen und Werte sichtbar sowie kommunizierbar machen.

Gudrun Hoppe von quadra GmbH zeigte anhand des Projektes «Der Metropolitanraum Zürich als Parklandschaft» auf, dass die Landschaft massgeblich zur Identität einer Metropole beiträgt und die Bedeutung identitätsstiftender Landschaft für die Naherholung ausserordentlich gross ist. Im Metropolitanraum Zürich sind dies die Vielfalt an charakteristischen Landschaften, die regionalen Spezialitäten, die Eigenheiten und Bräuche und die Vielfalt der Wasserlandschaften. Basierend auf diesen Werten und Eigenheiten können Zukunftsbilder und Handlungsempfehlungen entwickelt werden, die ein gemeinsames Verständnis des Raumes als Parklandschaft festigen und Möglichkeiten zur Entwicklung bieten.

In ihrem Beitrag zu «Landschaftsqualität im Zusammenspiel mit Wahrnehmung und emotionalen Wirkungen» zeigte Christine Meier von der Planar AG auf, dass in die Strategie einer nachhaltigen Landschaftsentwicklung auch wahrgenommene Landschaft und landschaftliche Identität einzubeziehen sind. Entsprechend sind auch Qualitätsziele gefragt, welche die empfundenen Landschaftsqualitäten das Wohlbefinden und Identifikation der Menschen mitberücksichtigen. Im Rahmen der vorgestellten Studie wurde den Fragen nachgegangen, welche inneren Bilder die Bevölkerung von Landschaft hat, ob diese Bilder der Alltagslandschaft respektive dem Verständnis von Planern und Wissenschafterinnen entsprechen, was die Entwicklung einer landschaftlichen Identität zwischen Umgebung und Bevölkerung begünstigt und welche Landschaften tatsächlich eine positive Wirkung auf die Menschen haben. Die Planung steht vor der Herausforderung, diese inneren Landschaftsbilder und Empfindungen der Bevölkerung sichtbar und diskutierbar zu machen und auch die emotionalen Qualitäten von Landschaft aus der Perspektive der Landschaftsbewohner/innen zu formulieren.

André Stapfer, Leiter der Sektion Natur und Landschaft des Kantons Aargau ermöglichte mit seinem Beitrag «Die Landschaft des Kantons Aargau im Spannungsfeld verschiedener Ansprüche» eine Sicht in die Herausforderungen der Praxis. Er zeigte auf, dass die Rechtsgrundlagen im Bereich Landschaft im Kanton Aargau relativ griffig sind und die Sensibilisierung für den Wert der Landschaft sowie die Stellung des Landschaftsschutzes in Politik und Verwaltung in den letzten Jahren auf allen Ebenen stark gestiegen sind. Es bestehen aber ein grosser Handlungsbedarf und unterschiedliche Herausforderungen bei der Umsetzung. So werden zu schonende Landschaften nur anhand eines einzigen Kriteriums ausgeschieden, und es sind keine detaillierten Bewertungen und Ziele vorhanden. Damit entstehen Probleme bei der Beurteilung der Landschaftsverträglichkeit von Bau- und Planungsvorhaben. Trotz vorhandener Sensibilisierung und einem gewissen Konsens, was eine schöne Landschaft ist, bestehen im Einzelfall grosse Unsicherheiten und/oder völlig unterschiedliche Auffassungen, was eine Landschaft verträgt und was nicht.

In der darauffolgenden Diskussion bestätigte sich, dass der Umgang mit Landschaften und deren Schutz und Aufwertung bei vielen Akteuren mit grosser Unsicherheit verbunden ist. Oft fehlt das Wissen, welche Landschaft angestrebt werden soll oder was eine Landschaft überhaupt ist. Somit wird die Kommunikation über landschaftliche Werte zu einer grossen Herausforderung: Wenn der Begriff «Landschaft» in der Bevölkerung nur mit «schöner traditioneller Kulturlandschaft» assoziiert wird, ergibt sich dadurch oft ein blinder Fleck bei der Alltagslandschaft und damit ein tieferer Anspruch an deren Erhalt oder Aufwertung.

Schlussfolgerungen aus der Grundproblematik

1. Die Erarbeitung von Landschaftsqualitätszielen für bestimmte Landschaften bedingt einen regionalen Aushandlungsprozess, der die betroffenen Akteure und deren Wissen einbezieht. Es braucht einen Dialog zwischen Umweltorganisationen, Planerinnen und Planern, Behörden und Bevölkerung, der möglichst konkret geführt wird und bei dem die zu diskutierenden Kernpunkte verständlich und differenziert formuliert und erklärt werden. Dies bedingt eine klare Sprache, Veranschaulichungen und auch das Lernen an guten und schlechten Beispielen. Erst so wird eine zielführende Diskussion zu Landschaft, deren Qualitäten und entsprechenden Zielen ermöglicht.

2. Der Einbezug von Landschaftsanliegen in die Planung der menschlichen Aktivitäten bedingt den Beizug von Experten und Expertinnen, die sich mit diesen Anliegen befassen, anschauliche Grundlagen zur Bewertung von Landschaften und entsprechende Mittel der Umsetzung. Die vorgestellten Projekte zeigen gangbare Wege auf, wie solche Grundlagen aussehen könnten.

3. Die Erfassung von Landschaftsqualitäten bedingt neben Fachwissen aber auch eine differenzierte Wahrnehmung über die Sinne. Dieser differenzierte «Blick» ist eine Frage des Tempos, mit dem Landschaft erfahren wird, der Aufmerksamkeit und der Beobachtung der vor sich gehenden Prozesse. Dabei ist der Beitrag von Experten und der ansässigen Bevölkerung gleichermassen gefordert.

An dem Workshop beteiligt haben sich:

Referentinnen und Referenten: Karina Liechti und Yves Schwyzer von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, Gudrun Hoppe von der quadra GmbH, Christine Meier von Planar AG, André Stapfer von der Sektion Natur und Landschaft des Kantons Aargau

Moderation: Raimund Rodewald, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz

 

 

Quelle: NATUR

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