Sara Stalder: «Beim Einkauf auf Regionalität und Saison achten»
Als Geschäftsführerin der Stiftung Konsumentenschutz (SKS) engagiert sich Sara Stalder für die Interessen der Verbraucher. Im Interview erklärt sie, wie sich die Stiftung einsetzt, um dem Konsumenten das nachhaltige Einkaufen zu erleichtern.

Die Stiftung für Konsumentenschutz setzt sich für die Anliegen der Konsumentinnen und Konsumenten ein. Vor was müssen die Schweizer Konsumenten geschützt werden?
Damit die KonsumentInnen die Vorteile des freien Wettbewerbs nutzen können, braucht es einige Spielregeln von Anbieterseite. Das heisst verständliche Information in genügendem Umfang, Vergleichsmöglichkeiten, Sicherheit der Produkte oder Dienstleistungen. Leider zeigt die Praxis, dass diese Regeln gerne missachtet werden. Kaum jemand hat beispielsweise den Durchblick bei den Abonnements-Möglichkeiten der Telekommunikationsanbieter. Die Angebote lassen sich nicht miteinander vergleichen. Weder vom Inhalt her noch betreffend der Preise. Mit direkten Interventionen bei den Anbietern und mit politischen Vorstössen trägt der Konsumentenschutz zur Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen bei. Zudem informieren wir die KonsumentInnen über aktuelle Themen und warnen vor Stolpersteinen, wo noch vieles im Argen liegt.
Die Schweizer Konsumenten warten schon lange auf einen besseren rechtlichen Schutz. Bis anhin wurden die meisten Initiativen für bessere Konsumentenrechte im Parlament abgeblockt. Üben Sie als Konsumentenschutz zu wenig Druck aus?
Wir üben sehr viel Druck aus, wenn man sich die uns zur Verfügung stehenden bescheidenen Mittel anschaut. Wir sind eine Nonprofit-Organisation mit einem Budget von rund 1.5 Millionen Franken. Die Haupteinnahmen erhalten wir von einzelnen Spenden und Gönnerbeiträgen, der Staat finanziert rund 15 Prozent von unserem Budget. Auf unserer Geschäftsstelle arbeiten sieben Personen. Wenn wir dann gegen die grossen Anbieter mit ihren Markt- und Lobbymächten ins Feld rücken, befinden wir uns vielfach in einer David-Goliath-Situation. Trotzdem können wir immer wieder schöne Erfolge verbuchen.
Erfolge des SKS:
- Zusammen mit anderen Konsumentenschutz-Organisationen erreicht die SKS im Jahr 2010, dass Untersuchungen von Antibiotika-Rückstände bei Obstbäumen vom Bundesamt für Landwirtschaft wieder angeordnet werden. Denn die Behandlung von Obstbäumen mit dem Antibiotikum Streptomycin gegen den Feuerbrand hinterlässt wider Erwarten Antibiotika-Rückständen auf Früchten.
- Einen Abstimmungserfolg verbucht die SKS 2005 mit der «ja zur Gentechfrei-Initiative». Die Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft» wird angenommen.
- Migros und Coop verwenden den Begriff «Bio» willkürlich und ändern auf Druck des Konsumentenschutzes die Begriffsverwirrung im Jahr 1998 freiwillig.
Wie stehen Sie zu der Aussage von Prof. Dr. Angelika Zahrnt (Mitglied im Nachhaltigkeitsrat Deutschland), dass die Konsumenten durch ihr Kaufverhalten die Macht haben, Politik und Wirtschaft vor allem auch in Richtung Nachhaltigkeit zu verändern?
Wir vermitteln den KonsumentInnen immer wieder, dass jede Lücke im Verkaufsregal eine neue «Bestellung» des gleichen Produkts auslöst. Demzufolge bestimmen die KonsumentInnen in einem grossen Mass, welche Produkte in den Regalen stehen. Nur sind sich die Konsumierenden dem vielfach zu wenig bewusst.
Eines der Anliegen der Stiftung ist es, den Verbrauchern einen nachhaltigen Konsum zu ermöglichen. Was bedeutet für den Konsumentenschutz nachhaltiges Einkaufen?
Der Idealzustand für einen nachhaltigen Einkauf wäre aus Sicht des Konsumentenschutzes, wenn nur noch Produkte in den Verkaufsregalen stünden, die unter hervorragenden ökologischen und sozialen Bedingungen hergestellt und zu einem vernünftigen Preis verkauft würden.
Nachhaltiges Einkaufen beginnt nicht erst im Supermarkt. Im aktuellen Klimablog der ETH Zürich bemängeln Sie, dass der Einkaufstourismus ins benachbarte Ausland das Klima belastet. Warum?
Wenn jede Familie für den Wocheneinkauf mit dem Auto über die Grenze fährt, belastet dies unnötig das Klima. Es wäre besser, man profitiert von den günstigeren Angeboten im Ausland, wenn man ferienhalber bereits dort ist. Auch gut fürs Klima ist eine Bestellung übers Internet, wobei die Waren logistisch koordiniert in die Schweiz geliefert werden. Die allerbeste Lösung steht allerdings noch aus. Die internationalen Anbieter geben den Währungsgewinn von bis zu 20 Prozent endlich den KonsumentInnen weiter. Damit wäre der Einkauf im Ausland nicht mehr in gleichem Mass lukrativ.
Nachhaltigkeit ist vor allem im Bereich Konsum ein sehr komplexes und breites Thema. Die Verbraucher wissen oft nicht, ob nun Schweizer Tomaten aus dem Gewächshaus nachhaltiger sind als die importierten Tomaten aus Spanien. Was tun Sie konkret, um den Konsumenten einen nachhaltigen Einkauf zu erleichtern?
Werbeaussagen können leicht verwirren und den Kaufentscheid für den Konsumenten erschweren. Unser Tipp ist es, Regionalität und Saisonales als obersten Grundsatz zu halten. Konkret kann das bedeuten, dass man einer konventionell produzierten Tomate aus der Region einer biologisch produzierten aus Spanien den Vorrang gibt.
Zusammen mit dem WWF und dem Tierschutz veröffentlichten Sie einen Ratgeber zu Lebensmittel Labels. Warum sollte man diesen Ratgeber vor dem Einkauf durchlesen?
Fast jedes Lebensmittel weist eine Auszeichnung auf, überall wird Mehrwert versprochen. Doch nur einige wenige Labels oder Auszeichnungen genügen tatsächlich den strengen Vorgaben und Kontrollen. Es ist also wichtig, dass man sich nicht durch «Schein»-Auszeichnungen blenden lässt, wenn man auf einen nachhaltigen Einkauf Wert legt.
Der Ratgeber gibt den bekannten Labels wie Max Havelaar oder Claro nur die Bewertung «empfehlenswert», dagegen schneiden Naturaplan oder Biosuisse mit «sehr empfehlenswert» ab. Wie kommt das?
Die Bewertung der Labels wurde nach den zwei wichtigen Kriterien «Umweltaspekte» sowie «soziale Kriterien» vorgenommen. Je nach Schwerpunkt des Labels wurden die beiden Kriterien unterschiedlich stark gewichtet. Wer sowohl bei Umwelt wie auch beim Sozialen punkten konnte, schnitt besser ab. Inzwischen bietet Max Havelaar die fair gehandelten Produkte auch in Bio-Qualität an. Diese Kombination ist natürlich ebenfalls «sehr empfehlenswert».
Im Lebensmittelbereich ist «Bio» geschützt und die Labels sind vertrauenswürdig. Dagegen bemängeln Sie, dass vor allem bei Kosmetikprodukten zwar «Bio» draufsteht, aber nicht drin ist. Wie kann der Konsument erkennen, ob die Ware den biologischen oder ökologischen Standards entspricht?
Den Kosmetikherstellern ist der Trend zu biologischen Produkten nicht entgangen. Bei der Kosmetika ist der Begriff «Bio» nicht geschützt und keinen strengen Auflagen unterworfen. So werben viele mit diesem Begriff. Doch ein Blick auf die Inhaltsstoffe zeigt dann oft, dass von «Bio» keine Rede sein kann. Leider fehlt in diesem Bereich noch ein vertrauenswürdiges Label. Vor allem im Biofachhandel findet man aber Bio-Kosmetik, welchen diesen Namen verdient.
Auch durch «Greenwashing» wird oft versucht, die Konsumenten zu täuschen. Wie können sich die Verbraucher davor schützen?
Das ist ein sehr schwieriges Feld. Mittlerweile wird dem Konsument selbst in der Autowerbung vermittelt, dass es eine Wohltat für die Natur sei, wenn man diese Marke oder jenes Modell wählt. Die Marketingabteilungen haben gemerkt, dass sich Produkte gut verkaufen lassen, wenn sie in Verbindung mit «Ökologie» geworben werden. Hier die Spreu vom Weizen zu trennen und ernst gemeinte Bemühungen von reinem Marketing zu unterscheiden, ist sehr schwierig.
Bei welchen Produkten achten Sie persönlich stets auf einen nachhaltigen Einkauf?
Bei allen Lebensmitteln, die wenig oder gar nicht verarbeitet sind, achte ich in erster Linie auf die beiden Punkte Regionalität und Saison. Bei der Bekleidung hilft mir der kleine Ratgeber «Fair Fashion». Diesen haben wir mit der «Erklärung von Bern» herausgegeben, um ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen. Der Ratgeber liefert Informationen, wie fair Kleiderfirmen produzieren. In diesem Bereich gibt es jedoch noch viel Handlungsbedarf.
Und welche Artikel kaufen Sie auch mal ein, ohne darauf zu achten, ob die Ware fair gehandelt oder ökologisch hergestellt wurde?
Wie oben geschildert, ist es beim Kleider- und Schuhkauf kaum möglich, hinter die Kulissen zu schauen. Wahrscheinlich trage ich daher auch Bekleidung, die unter von mir nicht akzeptierten Umständen produziert wurde. Zudem hat das Hinterfragen nach Herkunft und Produktionsweise bei schnellen Fertigmahlzeiten während hektischen Arbeitstagen auch oftmals keinen Platz. In Gastro-Betrieben ist es leider oftmals so, dass die Deklarationspflicht schlecht umgesetzt wird. Darüber staune ich immer wieder. Da habe ich allerdings in der Regel genügend Zeit, um nach den wichtigen Angaben zu fragen.
Greenwashing: Als Greenwashing bezeichnet man Bemühungen von Unternehmen, sich ein zumeist nicht begründetes umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image anzueignen. Versucht wird dies durch gezielte Werbekampagnen über umweltfreundliche oder soziale Leistungen, Aktivitäten oder Ergebnisse (Finanzierung von Projekten oder Initiativen). Die herausgehobenen Aktionen betreffen aber nur einen geringen Teil der Unternehmensaktivitäten. Das Kerngeschäft bleibt wenig nachhaltig.
Interview: Lea Schwer