«Slow Food»: Die Bewegung für mehr Öko-Gastronomie

Wer langsam isst, lernt wieder zu geniessen und wird zum Gourmet. Hierbei unterstützt der Verein Slow Food seit 25 Jahren. Denn mit Musse erkennt man nicht nur die Vielfalt der Lebensmittel und Geschmackserlebnisse, sondern auch die Wichtigkeit des fairen Handels.

Die Initiative Slow Food setzt sich für nachhaltige und gesunde Lebensmittel ein.
Die Initiative «Slow Food» setzt sich gegen Fast Food ein und für den Erhalt der Esskultur.
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«Essen ist ein landwirtschaftlicher Akt.» Das ist einer der Hauptpfeiler der Philosophie des internationalen Nonprofit-Vereins Slow Food. Doch was heisst das? «Der Konsument eines Nahrungsmittels ist immer auch dessen Koproduzent. Denn durch den Preis, den er für ein bestimmtes Nahrungsmittel zahlt, bestimmt er mit, wie ein Produkt schlussendlich hergestellt werden muss», erklärt Giuseppe Domeniconi, Geschäftsführer Slow Food Schweiz. Bei billigen Nahrungsmitteln entstehe der grösste Druck am Ende der Produktionskette, nämlich beim Bauern und Kleinproduzenten. Genau hier setzt der Verein Slow Food seit rund 25 Jahren weltweit ein. In kleinen Regionalgruppen werden Initiativen für Kleinproduzenten und sinnliche Degustationsabende durchgeführt.

Bewusstseinsschärfung der «Esser»

Slow Food wurde 1986 in Italien als Antwort auf die Ausbreitung des Fast Food gegründet. Man befürchtete den Verlust der Esskultur und Geschmacksvielfalt – für die Italiener schon seit jeher ein bisschen wichtiger als für andere. Heute ist Slow Food eine weltweite Bewegung. In der Schweiz unterstützen rund 3.000 Personen die Philosophie des Vereins. In verschiedenen Regionen setzen sich in insgesamt 17 lokalen Mitgliedergruppen, «Convivia» genannt, dafür ein, dass die biologische Vielfalt von Lebensmittel erhalten bleibt. In verschiedenen Initiativen werden nachhaltige, traditionelle und lokale Lebensmittelproduktionen unterstützt. So soll verhindert werden, dass gewachsene Kleinstrukturen und altes Wissen über Nahrungsmittel verloren gehen. Der faire Handel wird gefördert und gentechnisch veränderte Lebensmittel abgelehnt. Auch Corina Gyssler, Kommunikationsbeauftragte Konsum vom WWF Schweiz betrachtet die Grundsätze positiv: «Slow Food achtet darauf, dass traditionelle Verarbeitungsmethoden gefördert und nicht abgeschafft werden. Dies fördert das Bewusstsein der Konsumenten für Lebensmittel aus der Region.»

Durch langsames Essen soll der Genuss gesteigert und zum Nachenken über die Nachhaltigkeit der Lebensmittel angeregt werden.

Der langsame Genuss soll auch zum Nachenken über die Nachhaltigkeit der Lebensmittel anregen.

Vielfalt unter Viaduktbögen

Seit September 2010 ist Slow Food auch in der «ersten Markthalle Zürichs» unter den Bögen des Eisenbahnviadukts anzutreffen. Die Genossenschaft «Slow Food im Viadukt» betreibt dort sieben Marktstände. Drei davon werden an Kleinbauern, Hirten, Fischer oder Händler vermietet. Die restlichen betreibt Slow Food in Zusammenarbeit mit der Stiftung Pro Specie Rara. «Das ist ein Experiment für uns. Wir wollen Kleinherstellern eine Plattform geben und Produzent und Konsument zusammenführen», sagt Domeniconi.

Butter ist nicht gleich Butter

Die regionalen Mitgliedergruppen organisieren jedoch vor allem regelmässig ökogastronomische Veranstaltungen, an denen auch Nicht-Mitglieder teilnehmen können. Und hier will man Geschmackserziehung betreiben: «Wir wollen den Konsumenten dorthin führen, dass er regional und mit dem Rhythmus der Natur, also saisonal isst», erläutert Domeniconi das Konzept. Auf spielerische und genüssliche Art und Weise setze man sich mit Lebensmitteln auseinander. «Bei einem Abend zum Thema Butter degustieren wir beispielsweise unterschiedliche Butter, wie Rohmilchbutter, pasteurisierte Butter und Kochbutter. Dazu erläutert ein Experte die Eigenheiten der verschiedenen Fabrikate. So findet man heraus, was einem passt.» Dadurch könne sich der Konsument viel bewusster in der Vielfalt der Lebensmittel bewegen, meint Domeniconi.

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Es braucht Zeit

Eine überraschende Vielfalt bietet in der Stadt Baden geplanter Anlass rund um die Zitrone: «Ich persönlich kenne rund zwölf verschiedene Zitronenarten. Es gibt aber bestimmt noch mehr», so Domeniconi. Ganz genau wird er es nach dem Degustationsabend wissen und unter anderem sizilianischen Zitronensalat garniert mit Limonenfilets, ein Schweinsfilet mit Citrons confits mit marokkanischen Salzzitronen und ein Zitronenparfait mit Zitronat und Zitronen-chips genossen haben. Die Leidenschaft für Lebensmittel ist bei Domeniconi spürbar: «Es gibt fantastische Produkte, die einfach verloren gehen. Kalbskopfbacken beispielsweise werden heute nur noch verwurstet, dabei ist das ein super Stück Fleisch, das einfach eine gewisse Zeit gekocht werden muss.» Der Aspekt der Zeit ist für Domeniconi generell ein wichtiger. «Wir haben die Fantasie fürs Kochen verloren. Um gut und abwechslungsreich zu kochen, muss man sich einfach Zeit nehmen.»

Quelle: nachhaltigkeit.org, Rafaela Roth
 

Infos und Links zum Thema Slow Food

 
  • Der Verein Slow Food setzt sich weltweit dafür ein, dass traditionelle und lokale Lebensmittelproduktionen nicht verloren gehen und die biologische Vielfalt von Nahrungsmitteln nicht weiter abnimmt.
  • In sogenannten «Geschmacklabors», also regionalen Degustationsanlässen wird man sich der Vielfalt der Lebensmittel bewusst. Die nächsten Termine und Veranstaltungen von Slow Food Schweiz findet man unter: www.slowfood.ch.
  • Slow Food ist seit September 2010 in der Markthalle im Viadukt in Zürich anzutreffen. Hier kann man sich Zeit nehmen und sich intensiv mit Lebensmitteln auseinander setzen.

 

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