Robin E. Miranda: «Nachhaltige Geldanlagen sind stabiler»

Robin E. Miranda arbeitet als Chief Family Risk Manager bei der Unternehmensberatung Wellershoff & Partner. Mit nachhaltigleben sprach die Finanzexpertin über wirtschaftliche Langzeit-Trends und die Chancen für nachhaltige Geldanlagen nach der Japan-Krise.

Finanzexpertin Robin Miranda im Interview zum Einfluss von Katastrophen auf den Finanzmarkt.
Robin E. Miranda, Chief Family Risk Manager, Wellershoff & Partner Ltd. Foto: Bianca Sellnow

Welche positiven Entwicklungen bringt die Katastrophe in Japan für die Wirtschaft mit sich?

Es ist eine grosse Tragödie, was in Japan geschehen ist. Dennoch bleibt die Erwartung, dass aus dieser Krise etwas Positives zurückbleibt. Viele Menschen fragen sich jetzt, ob die Risiken der Atomkraftwerke ihre Vorteile wert sind. Durch diese neue Wertung der Atomkraft gibt es die Gelegenheit, diese Einstellung noch einmal zu überprüfen. In der Folge wird sich der Fokus der Finanzmärkte und auch der Politik hoffentlich weiter in Richtung erneuerbarer Energien entwickeln. Das wäre ein grosser Vorteil, den wir aus dieser Katastrophe ziehen könnten.

Welche emotionalen Aspekte spielen dabei für die Wirtschaft in den Tagen seit der Katastrophe eine Rolle?

Ein ganz wichtiger Aspekt ist der Vertrauensverlust, der durch den Vorfall in Japan stattfindet. Es hatten alle vorher ein riesiges Vertrauen in Experten, die für die Atomkraftwerke zuständig waren. Doch jetzt wird die Energiepolitik vermehrt hinterfragt. Die bestehenden Atomkraftwerke werden davon wahrscheinlich nicht betroffen sein, aber die sehr alten werden vielleicht eher abgeschaltet und erhalten keine erneute Verlängerung. Dieses Umdenken im Bezug auf die Atomkraftwerke bringt dann unter Umständen eine Verlagerung der Finanzmärkte in Richtung erneuerbare Energien mit sich.

Inwiefern können diese Entscheidungen langfristig Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben?

Die heutige Generation ist schon mit Vorbildern aufgewachsen, denen die Umwelt wichtig ist und so ein Vorfall wie in Japan trägt dazu bei, dass immer mehr Menschen aufwachen und die Probleme ernst nehmen. Vielleicht fangen einige Verbraucher dadurch an, sich im täglichen Leben nachhaltiger zu verhalten. Zum Beispiel, indem sie im Supermarkt beim Lebensmittel-Einkauf zu nachhaltigeren Produkten greifen. Wenn durch die Katastrophe viele Menschen nur ein wenig nachhaltiger leben, dann wird sich die Wirtschaft und mit ihr die Finanzmärkte dem anpassen müssen. Die Auswirkungen dieses Verhaltens können massiven Einfluss haben, besonders in einer Generation, die schon ein recht tiefes Gefühl für den Klimawandel hat. Das könnte wirklich zu Veränderungen führen und die Chancen für nachhaltigere Finanzmärkte verbessern.

Bezogen auf die Häufung der unvorhersehbaren Katastrophen der letzten Jahre, welche Konsequenzen müssen Finanzexperten und auch Anleger daraus für die zukünftige Auswahl von Investitionen ziehen?

In der Vergangenheit wurde ein massives Vertrauen in Experten und Prognosen gesetzt. Jetzt zeigt sich, dass dies wahrscheinlich zu viel Vertrauen war. Dass die angekündigten Prognosen nicht unbedingt in Erfüllung gehen müssen, hat man oft nicht in Betracht gezogen bei der Auswahl von Investitionen. Die vielen unvorhersehbaren Krisen in den letzten Jahren zeigen jedoch, wie wichtig es ist, diese Voraussagen nicht als gegebene Fakten sondern als Annahmen einzustufen. Das mussten wir in den letzten Krisen-Jahren erst mal lernen. Deshalb ist der Vorfall in Japan auch eine Chance, den Wert langfristiger Trend-Analysen zu überdenken.

Welche dieser Trends sind heute überhaupt noch verwertbar?

Die demographischen Berechnungen sind eine Auswertung, die sehr viel Gewicht hat für die längerfristige Entwicklung der Finanzmärkte. Die Gesellschaft wird immer älter. Das trifft auch auf Japan zu und wird eine Rolle bei dem Wiederaufbau der Wirtschaft spielen. Die demographische Entwicklung ist dabei ein negativer Trend, der im Hintergrund mitläuft. Solche unvorhersehbaren Krisen wie der Tsunami und die Atomkatastrophe sind dann plötzliche, negative Einflüsse, welche die Wirtschaft zusätzlich belasten.

Welche anderen Instrumente zur Auswahl von Investitionen gibt es inzwischen?

Gutes Risikomanagement arbeitet mit Szenario-Analysen. Man geht nicht von starren Prognosen aus, wie die Welt voraussichtlich werden wird. Im Gegenteil werden beim Risikomanagement mehrere Szenarien entworfen, wie die wirtschaftliche Entwicklung aussehen könnte. Dazu wird analysiert, wie diese Szenarien die eigene finanzielle Situation beeinflussen könnten und wie man bei seinen Investitionen die Risiken minimieren kann.

Welche Rolle spielen dabei nachhaltige Geldanlagen?

Ein nachhaltiges Investment trägt oft dazu bei, Risiken zu minimieren. Schon alleine das Wort sagt alles. Ein nachhaltiges Investment. Wenn man eine Wahl hat, wer will dann nach der Finanzkrise noch ein Investment, dass nicht auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist? Wer will in Wirtschaftszweige investieren, die instabil sind und jederzeit kollabieren können? Da ist es eher angebracht in eine etwas langsamer wachsende Wirtschaft zu investieren, die dafür stabiler ist.

Interview: Bianca Sellnow
 

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Joachim Klement: «Aus der Krise ergeben sich Chancen».

 

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