Uni-Studium: Nachhaltigkeit wird interdisziplinär

Studienabsolventen mit Wissen um Nachhaltigkeit sind begehrte Arbeitskräfte. Deshalb wird heute von einer Fachhochschule oder Universität das Angebot zum Studium neu kreiert. Es gibt immer mehr Studiengänge, die eine Ausbildung in Technik, Wirtschaft, Ethik, Umwelt und am besten allem gleichzeitig bieten.

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An den Unis werden neue Studiengänge geschaffen, welche die Nachhaltigkeit einbeziehen. Foto: franz pfluegl / iStock / Thinkstock
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Der Umweltmarkt boomt und wächst stärker als jede andere Wirtschaftsbranche in der Schweiz: 21 Milliarden Franken Umsatz, 95.000 Beschäftigte und ein Wachstum von 3.6 Prozent jährlich attestiert die Studie «Umweltmärkte in der Schweiz - Perspektiven für Wirtschaft, Beschäftigung und Bildung» des Bildungszentrums WWF. Die Studie prognostiziert, dass bis im Jahr 2015 zusätzliche 30.000 bis 40.000 Arbeitsplätze im ökologischen Bereich geschaffen werden. Um im internationalen Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können, fordert nicht nur das WWF politische Fördermassnahmen - eine aktive Bildungs- und Forschungspolitik ist hierbei zentral. Denn inzwischen reicht der Nachhaltigkeits-Bereich in jeden Wirtschaftssektor hinein. Die Hochschullandschaft rüstet sich dafür und bietet zahlreiche Studiengänge an, die zum Grossteil das Schubladendenken aufbrechen.

Neue Experten für den Bau

Zunächst denken viele in diesem Kontext an technische höhere Bildung. An Studiengänge wie den der «Energie- und Umwelttechnik», der im Herbst 2011 an der Hochschule für Technik der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) startet. Gerade der Baubereich hat grossen Bedarf an Nachhaltigkeits-Experten. Deshalb haben fünf Schweizer Fachhochschulen sich auch im Rahmen der Modulausbildung EN Bau zusammengeschlossen, die zum Abschluss «Master of Advanced Studies in nachhaltigem Bauen» kombinierbar sind. Mit dabei sind die Fachhochschule Ostschweiz / HTW, HTA / Hochschule für Technik & Architektur Luzern, Berner Fachhochschule, Zürich Fachhochschule, HSW / Hochschule Wädenswil und FHNW / Fachhochschule Nordwestschweiz.

Nachhaltigkeit: Thema in jedem Fach

Dabei beschränken sich die nachhaltigkeitsbezogenen Studiengänge keineswegs auf diesen Bereich. Im Gegenteil, nachhaltige Werte können in prinzipiell allen Fachgebieten vermittelt werden. Somit werden diese Aspekte Stück für Stück als Querschnittsthema in Studien eingebracht. Denn ebenso wie ein Wirtschaftsstudent heutzutage nicht mehr die Universität verlassen kann, ohne mit dem Thema der Diversität und Frauenförderung konfrontiert gewesen zu sein, nimmt er heute zumindest Basisinformationen zu nachhaltigem Wirtschaften mit. Und das passt zum Trend der Interdisziplinarität.

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Die Umwelt gewinnt in der Wirtschaft an Bedeutung und somit auch in der Ausbildung an der Uni. Foto: chuyu / iStock / Thinkstock

Oder es werden neue grenzüberschreitende Studiengänge geschaffen. Die Universität St. Gallen (HSG) beispielsweise besitzt als erste Hochschule weltweit einen Lehrstuhl für «Management Erneuerbarer Energien». Dabei wird erneuerbare Energie aus betriebswirtschaftlicher Perspektive betrachtet, wie Rolf Wüstenhagen als Professor des Lehrstuhls erklärt. «Einerseits erforschen wir innovative Geschäftsmodelle, damit Investoren erneuerbare Energien finanzieren.

Andererseits soll in der Lehre den Studierenden die nachhaltige Entwicklung näher gebracht werden.» Dabei erhalten die Studenten die Möglichkeit, sich mit dem Thema in Wahlpflichtfächern und Praxisprojekten zu beschäftigen. Sie können auch ihre Bachelor- oder Masterarbeit auf diesem Gebiet schreiben. «Diese Möglichkeiten werden auch genutzt, denn die Studierenden sorgen sich um ihre Umwelt», so Wüstenhagen. Er ist überzeugt, dass das Thema Nachhaltigkeit weiterhin topaktuell bleiben wird. «Manche HSG-Absolventen werden nämlich eine einflussreiche Position in der Wirtschaft einnehmen. Auch bergen nachhaltige Technologien enorme Marktchancen, die es zu nutzen gilt.»

An der Universität Basel läuft schon seit längerem der interfakultäre Master in «Sustainable Development (MSD)». Gemeinsam bieten ihn die Philosophisch-Historischen, die Philosophisch-Naturwissenschaftliche und die Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an. Den Studierenden sollen die vielfältigen Dimensionen der Umweltproblematik des menschlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Handelns aufgezeigt werden. Europäische Umweltpolitik steht genauso wie Biogeochemie auf dem Stundenplan.

Architekten: Raum-Entwicklung planen

Das Institut für Nachhaltige Entwicklung (INE) der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW www.ine.zhaw.ch)  befasst sich mit der technologischen und ökologischen Zukunft unserer Gesellschaft. Dabei konzentriert sich das Institut auf die gesellschaftlichen Bedingungen. «Wir müssen gesellschaftliche Rahmenbedingungen schaffen, um die Nachhaltigkeit als Ganzes abzudecken», erklärt Erich Renner, Wirtschaftsgeograf und Dozierender beim INE. Zurzeit arbeitet Renner zusammen mit dem Architektenverein SIA und den Hochschulen Luzern und Rapperswil an einem Projekt zur nachhaltigen Raumentwicklung. In den letzten 50 Jahren sei in der Schweiz diesbezüglich viel schief gelaufen, meint Renner. Deshalb sei wichtig, dass man bei der Raumplanung verschiedene Interessen mit einbeziehe. «Denn wenn Menschen mit verschiedenen Interessenlagen in Projekte einbezogen werden, kommen sie eher zu Lösungen, die die eigenen Ressourcen nicht zerstören.» Und damit, so Renner weiter, würden sie fast automatisch nachhaltige Raumentwicklung betreiben. Ein Beispiel dafür, dass das Thema nicht in eine Fakultät zu stecken ist, sondern umso besser aufgehoben ist, desto breiter es angelegt wird.

Text: Marielle Moser

Nützliche Links:

  • Nachhaltiges Bauen an deutschsprachigen Hochschulen: www.oekosiedlungen.de
  • Master in nachhaltigem Bauen an Schweizer Fachhochschulen: www.enbau.ch
  • Studium für Energie- und Umwelttechnik der Fachhochschule Nordwestschweiz: www.fhnw.ch

 

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