Peter Droege: «Jedes Haus kann ein Kraftwerk sein»
Seit mehreren Jahrzenten beschäftigt sich der Professor für Architektur und Raumentwicklung mit Umweltfragen. Mit nachhaltigleben sprach Peter Droege über die Möglichkeiten einer nachhaltigen Energieversorgung in der Schweiz.

Was bedeutet die Katastrophe in Japan für Sie als Energieexperte?
Emotional bedeutet es tiefe Trauer und Besorgnis für uns alle, Entrüstung, dass lange bekannte Risiken unter den Teppich gekehrt und einfach für die Bevölkerung akzeptiert wurden und nun das Ganze von der Atomindustrie schön geredet wird. Zudem löst die Katastrophe grosse Besorgnis aus, dass so etwas mit den beinahe 500 anderen Reaktoren weltweit auch geschieht. Aber der Vorfall macht auch Hoffnung, dass nun das grosse Erwachen beginnt.
Was muss passieren, damit tatsächlich Konsequenzen aus der Krise gezogen werden und die Politik nicht nur aus wahltaktischen Manövern Atomkraft kurzfristig zurückschraubt?
Wir brauchen globale und nationale Ausstiegsprogramme. Das bedeutet, es werden Politiker benötigt, die aus den Fakten Konsequenzen ziehen und verantwortungsbewusst handeln.
Was halten Sie von der Argumentation, dass der Rückzug aus Atomkraft einen Rückschlag in der Klimapolitik bedeutet, da jetzt alte Kohlekraftwerke wieder ans Netz gehen müssen?
Gar nichts, das ist reiner Unsinn. Denn für 10 - 20% der Kosten eines Atomkraftwerks können wir uns Effizienzmassnahmen leisten, die dieses völlig ersetzen, ebenso wie neue Kohlekraftwerke! Zudem liefert die Sonne Energie, die konservativ geschätzt und rein pragmatisch und nachhaltig umgesetzt, die produzierte Energie aller bestehenden Kraftwerke 10,000 Mal übersteigt.
Was sind die Ursachen dafür, dass der Wandel hin zu Erneuerbaren Energien nicht längst geschehen ist, statt weiterhin an Atomkraftwerken festzuhalten?
Je nach Land und Gegebenheit, können die Ursachen historische Verhedderungen, anachronistische Machtideen, politischer Druck und Profitinteresse sein, in einer von beinahe monopolistischen Subventionen abhängigen Industrie. Doch hauptsächlich liegt das an dem Unwissen auf Seiten der Entscheidungsträger.
Wie sollten die Verbraucher sich jetzt am besten verhalten?
Sie sollten mit ihren Stadtwerken und regionalen Betreibern arbeiten und rein grün-goldenen Strom wählen, das heisst Strom aus rein erneuerbaren Energien, idealerweise auch ohne Kehrrichtverbrennung.
Es gibt bereits Beispiele für Städte, die sich ausschliesslich mit erneuerbaren Energien versorgen. Müssen Städte in der Energiepolitik autonomer werden, um die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu erreichen, oder gibt es auch überregionale Lösungen?
In meinem Buch «100% Renewable - Energy Autonomy in Action» sind mehrere Gemeinden aber auch ganze Regionen beschrieben, deren Stromversorgung lediglich mit erneuerbaren Energien gewährleistet wird. Dazu findet sich auch mehr unter www.futurepolicy.org.
Wie könnte eine Energieversorgung der Schweiz aussehen, die auf Atomkraft und fossile Energien verzichtet?
Erneuerbar. Jedes Haus kann ein exportierendes Kraftwerk sein - lokale Versorgung zuerst, dann regionale, und so fort. Wichtige Faktoren für eine Versorgung mit erneuerbaren Energien sind dabei die Speicherung des Stroms und die Netzinfrastruktur.
Gibt es für eine grossflächige nachhaltige Energieversorgung bereits Vorbilder im Ausland?
Ja, sicher - in Deutschland ist mehr als die Hälfte des Landes dem Ziel einer 100%igen Versorgung mit nachhaltiger Energie verpflichtet. Andere Beispiele reichen von Spanien über Dänemark nach Kalifornien.