Das musst du wissen, bevor du Kleidung aus Merinowolle kaufst

Merinowolle ist ein richtiger Allrounder: Sie wärmt, wenn es kalt ist und kühlt, wenn es heiss wird. Doch für die Faser müssen oftmals Tiere leiden. Deshalb solltest du dich gut informieren, bevor du Kleider aus Merinowolle kaufst.

Ein rostfarbener Wollpullover über einer Stuhllehne
Kleidung aus Merinowolle ist weich und funktional. Doch es gibt auch eine Schattenseite Foto © Karolina Grabowska / Pexels⁠

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Naturprodukt Merinowolle ist ein richtiger Alleskönner und bietet als Kleidung zahlreiche Vorteile
  • Leider hat die Überzüchtung von Merinoschafen eine tiergerechte Haltung stark erschwert, womit wir schon bei den Nachteilen von Merinowolle angelangt sind.
  • Durch die vielen Hautfalten werden die Tiere mancherorts von Schmeissfliegen befallen. Dagegen eingesetzt wird häufig die entsetzliche Tierquäler-Methode des Mulesings.
  • Merinowolle ohne Tierquälerei: Unsere Top 5 mulesingfreie Marken

Was gibt es Besseres, als bei kalten Temperaturen in einen dicken Pullover aus Merinowolle zu schlüpfen und kuschelige Wollsocken überzuziehen. Das Besondere an der Wolle: Sie ist nicht nur das perfekte Material in der kalten Jahreszeit, sondern auch an warmen Tagen.

Doch wie bei allen tierischen Produkten solltest du auch beim Kauf von Merino-Shirts, Pullis oder Schals ganz genau hinschauen. Denn dafür, dass wir uns in flauschige Wolle hüllen können, zahlen viele Merinoschafe einen hohen Preis.

Merinowolle – eine Faser mit vielen Vorteilen

Merinowolle ist eine besonders feine und hochwertige Art der Schurwolle. Sie wird von sogenannten Merinoschafen gewonnen, die hauptsächlich in Australien, Neuseeland, Südafrika und Südamerika gezüchtet werden.

Merinoschafe haben besonders feine Wolle
Merinowolle hat eine besondere Struktur und ist daher sehr weich. Foto  © KiraVolkov / iStock / Getty Images Plus

Die funktionalen Eigenschaften hat die Naturfaser aufgrund ihres Aufbaus: Sie ist sehr weich, stark gekräuselt, elastisch und geschuppt. Deshalb hat Merinowolle zahlreiche Vorteile:

  • Sie kratzt nicht, da die Fasern grade einmal halb so dick sind wie die gewöhnlicher Schurwolle.
  • Sie hält lange warm.
  • Gleichzeitig isoliert Merino gegen Hitze, da sie Feuchtigkeit bindet und so die Körpertemperatur reguliert.
  • Sie kann bis zu einem Drittel ihres Trockengewichts an Wasser aufnehmen, ohne sich unangenehm klamm anzufühlen. Deshalb wärmt die Wolle selbst bei Regen und Schnee langanhaltend.
  • Wie übliche Schurwolle ist Merinowolle geruchsneutralisierend. Deshalb musst du sie sehr selten waschen – oft reicht es schon, Merino-Kleidung draussen zu lüften.
  • Merino bietet einen natürlichen UV-Schutz von bis zu 50 LSF.
  • Unangenehme elektrostatische Aufladung entsteht bei Merino-Kleidung nicht.
  • Merinowolle ist schwer entflammbar, was besonders im Outdoorbereich von Vorteil ist.
  • Sie knittert nicht und passt sich schön dem Körper an.

All diese Faktoren machen reine Merinowolle zum optimalen Material für Winter- und Outdoorbekleidung.

Zudem ist Wolle ein reines Naturprodukt und somit nachwachsend und vollständig biologisch abbaubar. Die Tiere müssen auch nicht geschlachtet werden, um die Wolle zu gewinnen. Dennoch gibt es eine dunkle Seite in der Wollindustrie.

Nachteile der Zucht für Merinowolle: Wo du genau hinschauen solltest

Damit Merinoschafe viel von der kostbaren Wolle hergeben, hat man ihnen über Jahrhunderte eine sehr faltige Haut angezüchtet. So produziert ein einzelnes Tier mehr feine Wolle, was für die Farmer einen grösstmöglichen Ertrag bringt.

Merinoschafe mit faltiger Haut

Merinoschafen wurde eine besonders faltige Haut angezüchtet. Foto © JohnCarnemolla / iStock / Getty Images Plus

Da die Tiere oftmals in grossen Herden auf kleinen Flächen gehalten werden und es in den Sommermonaten sehr heiss wird, bringt die faltige Haut der Schafe ein Problem mit sich: Die Falten bieten einen hervorragenden Nistplatz für Fliegen – sogenannte Sheep Blowflies. Diese legen ihre Eier bevorzugt in den schlecht belüfteten Falten der Hinterteile der Tiere ab, wodurch die Schafe erkranken oder sogar sterben. 

Um diesem Fliegenbefall entgegenzuwirken, hat sich seit den 1930er Jahren eine grausame Methode verbreitet, die mit artgerechter Tierhaltung nichts zu tun hat: Das Mulesing

Tierquälerei für Merinowolle: Was ist Mulesing?

Das Mulesing-Verfahren entstand durch einen Zufall. Der englische Schafzüchter John Mules rutschte beim Scheren eines Schafes mit dem Messer ab und entfernte ihm dadurch versehentlich ein Stück Haut. Daraufhin fiel ihm auf, dass der Fliegenbefall sich bei diesem Schaf stark reduzierte und er wendete die Methode auch bei anderen Schafen an. 

Heute wird die Mulesing-Methode nur noch in Australien praktiziert, wo jedoch ein Grosssteil der Merinowolle herkommt. Dabei wird ein handtellergrosses Stück Haut rund um den Schwanz der acht Wochen alten Lämmer mit einem scharfen Messer oder einer Schere entfernt. Die weniger faltige, dafür vernarbte Haut bietet dadurch keinen guten Nistplatz mehr für Fliegen. Das Schlimme an dieser Methode: Die Haut wird den Tieren meist ohne Betäubung oder ausreichende Wundversorgung entfernt.

Probleme entstanden erst durch die Zucht 

Die angezüchteten Hautfalten der Merinoschafe bieten besonders im feuchten Afterbereich ideale Bedingungen für Fliegen, um ihre Eier abzulegen. Das stellt für die Schafe ein hohes Risiko dar, am Fliegenmadenbefall zu erkranken – einer grausamen Krankheit, bei der die Tiere lebendig von Maden aufgegessen werden.

Um dieser Tierquälerei ein Ende zu setzen, fordern Tierschützer eine Züchtung von Merinoschafen mit weniger Falten. 

Diese Labels schliessen Tierleid aus

Wer Merino-Bekleidung kaufen möchte, sollte daher unbedingt darauf achten, dass es sich dabei um mulesingfreie Wolle handelt.

Du kannst jedoch darauf achten, dass die Wolle aus Südafrika, Südamerika oder bestenfalls Spanien oder Portugal stammt. Da es die Sheep Blowflies dort gar nicht gibt, wird in diesen Ländern auch kein Mulesing betrieben. Und auch Neuseeland hat sich von der Methode abgewandt.

Zusätzlich kannst du dich ausserdem an solchen Labels orientieren, die eine artgerechte Tierhaltung garantieren. Dazu gehören nicht nur der Verzicht auf Mulesing, sondern unter anderem auch ausreichend Weideplatz und gute medizinische Versorgung.

Responsible Wool Standard (RWS)

RWS-Siegel

Foto © Screenshot Responsible Wool Standard

Das RWS-Siegel ist ein freiwilliger globaler Standard, mit dem Farmer ihre nachhaltig und artgerecht gewonnene Merinowolle zertifizieren können. Nach eigenen Angaben stellt diese Zertifizierung sicher, dass die Tiere artgerecht gehalten werden und dass vom Bauernhof bis zum Endprodukt alle Schritte in der Produktion hohen Standards entsprechen und regelmässigen Kontrollen unterlaufen. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um ein gesetzliches Label.

Kontrolliert biologische Tierhaltung (kbT)

Wenn du auf dem Etikett eines Merino-Produktes das Label kbT siehst, kannst du sicher sein, dass die Wolle aus artgerechter Tierhaltung stammt. Für dieses Siegel gibt es gesetzliche Vorgaben, die unter anderem ausreichend Auslauf, artgerechte Fütterung und eine gute Krankheitsversorgung einschliessen.

IVN zertifiziert BEST

IVN-Siegel

Foto © Screenshot IVN zertifiziert BEST

Das europäische Siegel für umwelt- und sozialverträglich sowie schadstofffrei produzierte Textilien übertrifft die GOTS-Standards. Das IVN-Label erhalten nur Kleidungsstücke, die zu 100 Prozent aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft oder Tierhaltung stammen. Auch hierfür gelten strenge ökologische und soziale Standards, die regelmässig von unabhängigen Kontrollstellen geprüft werden.

Guten Gewissens Merinowolle kaufen: Unsere Top 5 muselingfreie Marken

Damit du nicht lange nach Merino-Bekleidung mit entsprechenden Labels suchen musst, findest du hier unsere Bestenliste an Herstellern, die ausschliesslich mulesingfreie Wolle verwenden.

1 Rotauf

Das Schweizer Outdoor Label Rotauf verarbeitet fast ausschliesslich Bio-Merinowolle aus Südamerika und strebt an, in Zukunft auch auf den kleinen zugekauften Teil an Bio-Wolle aus Australien zu verzichten. Wolle von Schafen, die mit dem Mulesing-Verfahren behandelt wurden, schliesst das Label aus.

Auf der Rotauf-Website kannst du ganz genau nachvollziehen, wo die Wolle herkommt und welche Schritte sie bis zum Endprodukt durchläuft.

2 Mammut

Mammut ist ebenfalls ein Schweizer Outdoor Label, das hochwertige Outdoorbekleidung verkauft. Mützen, Pullover und Halstücher gibts bei Mammut aus reiner Merinowolle – und garantiert mulesingfrei.

3 Waschbär

Bei Waschbär bekommst du Kleider, Pullover, Hosen und vieles mehr aus mulesingfreier Merinowolle. Um Mulesing gänzlich auszuschliessen, verzichtet der Hersteller komplett auf australische Merinowolle und alle Kleidungsstücke sind mit dem kbT-Label versehen.

4 Armedangels

Das deutsche Label Armedangels verarbeitet ausschliesslich mulesing- und chlorfreie Wolle aus biologischer Tierhaltung zu stylischen und richtig warmen Pullis, Kleidern & Co. Die verarbeitete Merinowolle ist zudem mit dem RWS-Siegel zertifiziert.

5 Hessnatur

Ganz im Sinne ihrer Philosophie «im Einklang mit der Natur» schliesst Hessnatur Wolle von Schafen, die mit dem Mulesing-Verfahren behandelt wurden, aus. Stattdessen setzen sie auf Merino aus artgerechter Tierhaltung mit ausreichend Weideland.

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