«Kleidung muss teurer und besser werden»

Trotz dem allgemeinen Trend zu mehr Nachhaltigkeit wird Kleidung häufig noch als Wegwerfartikel angesehen. Was muss passieren, damit mehr Mode fair und umweltfreundlich wird? Diese und weitere Fragen diskutierten Experten am 21. Lifefair Forum «Kleider machen Leute».

Nachhaltige Mode: «Kleidung muss teurer und besser werden»
Foto: © Wavebreakmedia Ltd / Thinkstock

Es bewegt sich noch zu wenig in der Textilbranche

Textilfabriken stürzen ein, Menschen müssen unter unwürdigen wie auch gefährlichen Bedingungen unsere Kleidung produzieren. Und für ihre Arbeit bekommen sie nicht mal genug, um davon leben zu können. Darüber hinaus verpesten billige Chemikalien, mit denen Shirts, Hosen und Anzüge hergestellt werden, die Umwelt.

Der vermehrte Blick hinter den Vorhang der Herstellung unserer Kleider hat zwar in den letzten Jahren bereits zumindest teilweise ein Umdenken gebracht, wie auch Design Director Jeroen van Roojen zu Beginn der Diskussionsrunde im Lifefair Forum feststellt. Der Fokus der Konsumenten liege aber vorwiegend auf anderen Aspekten. «Es ist das Zeitalter des Individualismus, sich selbst zu verwirklichen», erklärt Roojen. Und um sich von der Masse abzuheben, ist auf Nachhaltigkeit zu achten eben nur einer der vielen Wege.

Nachhaltige Mode kämpft noch immer mit Vorurteilen

Zu teuer, zu langweilig und nicht modern genug? Nachhaltiger Mode haftet häufig noch das verstaubte Öko-Image an. Dabei kann es auch anders gehen, wie unter anderem Coop mit seiner Naturaline beweist. Erfolgreich setzt der Konzern seit Jahren zumindest mit einem Teil seines Sortiments auf fair und ökologisch produzierte Modelinien.

Einen der Gründe, warum Naturaline so gut verkauft wird, sieht der Leiter Einkauf Textilien von Coop, Emanuel Büchlin, in der Einzigartigkeit der Ware. Es würden keine Teile doppelt geführt, erklärt er während des Forums. Stattdessen hätten Naturaline-Produkte andere aus dem herkömmlichen Sortiment ersetzt.

Darüber hinaus schafft die Linie es mit Marken-Botschafterin Melanie Winiger das verstaubte Image abzuklopfen. Mit ihr zeige man, nachhaltige Kleidung «kann auch modisch sein», bestätigt Jeroen van Roojen. Eines der Vorurteile nachhaltiger Mode stimmt allerdings: Um sich zu rechnen, muss sie teurer sein als ihre billige Konkurrenz. Doch das muss gar nicht unbedingt ein Hindernis sein.

Wir müssen Mode wieder mehr wertschätzen

«Aus unserer Erfahrung sind die Kunden 10 bis 15 Prozent bereit mehr zu zahlen für nachhaltige Mode», erklärt dazu Büchlin weiter in der Diskussion. Dies kann Coop mit Naturaline einhalten, was allerdings auch sicher mit an der jahrelangen Erfahrung und der Grösse des Konzerns liegt.

Viele kleinere Unternehmen haben es daher vielleicht schwerer, ihre nachhaltige Mode aus der Nische heraus zu bekommen. Der Weg sei noch lang, aber Experte Roojen blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. «Wir werden noch Jahrzehnte brauchen, bis wir die Konsumenten so sensibilisiert haben, wie es bereits bei Essen der Fall ist. Aber ich bin guter Dinge, dass wir dahin kommen.»

Das Problem liege zudem nicht nur bei den Konsumenten, sondern auch in der Industrie. Denn oft sei der Wille zu mehr Nachhaltigkeit bereits vorhanden. Aber es ist nicht immer einfach, zwischen wirklich fairen und ökologischen Angeboten zu unterscheiden, und solchen, die sich nur einen nachhaltigen Anstrich geben. Deshalb nimmt Christa Luginbühl von der Clean Clothes Campaign in der Diskussion auch Hersteller und Verkäufer in die Pflicht: «Viele Konsumenten sind verunsichert, weil sie nicht wissen, wie viel von dem was sie hören Marketing ist.»

Das Fazit aus der Diskussionsrunde des 21. Lifefair Forum bringt Keynote-Sprecher des Abends und CEO der Remei AG, die bereits seit über 20 Jahren nachhaltige Mode produziert, auf den Punkt. Mode müsse besser und teurer werden, erklärt er seinen Blick in die Zukunft. Nur, wenn Konsumenten Kleidung wieder mehr wertschätzen und vermehrt auf Qualität statt Billigartikel setzen, kann Mode insgesamt nachhaltiger werden. Aber auch Hersteller und Händler sind gefragt, mehr Mut zu zeigen und sich nicht nur am Preis der Ware, sondern auch an ihrer Fairness und Umweltfreundlichkeit zu orientieren.

Zum Lifefair Forum:

Die Lifefair-Foren bringen jährlich rund 1‘000 Führungskräfte und Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und NGO aller Grössen und Branchen zusammen. Anhand aktueller Themen diskutieren diese Führungskräfte innovative Impulse, wie die Schweiz und ihre Wirtschaft die Chancen der unternehmerisch gelebten Nachhaltigkeit (Green Economy) optimal nutzen kann.
Seit dem UNO-Nachhaltigkeitsgipfel von 2012 gilt die Wirtschaft als wichtigster Motor für eine nachhaltige Entwicklung. Ziele der Green Economy sind nachhaltiges Wirtschaftswachstum, soziale Integration und der Erhalt der Umwelt.

Mehr zum aktuellen Lifefair Forum lesen Sie unter lifefair.ch.

Text: Bianca Sellnow, 2015

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